Full Pipe (Daedalic Entertainment) geschrieben von Manuela Loritz
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Daedalic ist bekannt dafür, ungewöhnliche Spiele zu veröffentlichen. Sei es "Edna bricht aus", "The Whispered World" oder "Machinarium", sie alle heben sich von anderen Titeln durch den Humor, die Grafik oder den Verzicht auf eine Sprachausgabe ab. Nun hat sich der Hamburger Publisher das Point & Click- Adventure "Full Pipe" ausgesucht und veröffentlicht das bereits sieben Jahre alte Spiel in Deutschland. Volles Rohr Der Dude, ein Mischwesen aus Mensch und Schnecke in einem blauen Röckchen, wacht eines Morgens auf und verliert dummerweise gleich seinen Pantoffel. Das gute Stück ist durch das Rohr gefallen, dessen Öffnung sich unter dem Bett befindet. Der Dude macht sich sofort auf die Suche und landet in einem unterirdischen Rohrsystem. Der Pantoffel ist allerdings das kleinste Problem, denn der ist schnell entdeckt, der Weg zurück nach Hause wird zum Knackpunkt. Tauschen, tauschen, tauschen In "Full Pipe" stürzt nicht nur der Dude ohne Vorwarnung in das verwinkelte Rohrsystem, sondern auch der Spieler, der genauso ahnungslos zurückgelassen wird. Das Spiel ist eine Mischung aus Geschicklichkeits- und Rätselaufgaben. Die größte Knacknuss bleibt dabei das Spiel selbst: In den Rohren leben die unterschiedlichsten und merkwürdigsten Charaktere, sie helfen oder behindern den Dude bei seiner Rückkehr nach Hause. Um sein Ziel zu erreichen, muss das Mischwesen Gegenstände mit den dortigen Bewohnern tauschen. Hier bleibt immer die Frage nach dem Warum im Vordergrund. Das Tauschen ergibt keinen Sinn und entbehrt jedweder Logik. Das liegt an der mageren Rahmenhandlung und an den kaum vorhandenen Hilfestellungen. Die Entwickler scheinen dies bewusst gewollt zu haben, doch so wirken nicht nur alle Charaktere seltsam, sondern auch das Spiel. Wer zur richtigen Lösung kommen möchte, wird viel Zeit in das Prinzip "Trial & Error" investieren müssen, das frustriert auf Dauer. Zwar ist die Lösung immer irgendwo im Spiel versteckt und oft entsteht im Nachhinein ein Aha-Effekt, wer allerdings wenig Muße zum Tüfteln und Suchen besitzt, wird schnell genervt sein. Man erwartet von einem Titel, dass er den Spieler begeistern kann, doch "Full Pipe" ist von Beginn an eine Aufforderung sofort wieder aufzuhören, man möchte den Dude mehr als einmal einfach seinem Schicksal überlassen. Beispiel gefällig? Der Dude muss in den ersten Minuten des Spiels einem Wesen eine Schublade übergeben, um im Gegenzug eine Brille zu erhalten. Diese Brille erhält im Anschluss ein Bewohner der Rohre, der den Gegenstand in eine Luftblase einschließt. Wenige Minuten später muss man genau diesem Charakter die Blase im Tausch gegen eine Münze zurückgeben. Allzu lange ist das Geldstück allerdings nicht im Besitz des Dude, denn er muss sie früher oder später sowieso wieder zurücktauschen, damit er die Brille erneut gegen die Schublade einlösen kann. Klingt verwirrend? Ist es auch. Die Geschicklichkeitsaufgaben, die eigentlich nur daraus bestehen, zum richtigen Zeitpunkt die linke oder rechte Maustaste zu klicken, fördern teilweise den Ausbau der eigenen Geduldsfähigkeit. Das liegt vor allem an der ungenauen Maussteuerung. Nicht nur, dass die Maus langsam reagiert oder nur ein bestimmter Punkt zur Aktivierung an einem Objekt sitzt, der erst gefunden werden muss, der Dude läuft auch oft und gern am ausgewählten Ort vorbei. Positiv ist, dass das Inventar immer übersichtlich bleibt und man keinen der Räume aufmerksam absuchen muss, um ein wichtiges Objekt zu finden. Sehr hilfreich ist die Karte, die das schnelle Reisen durch die bisher entdeckten Räume ermöglicht. Sie ist es auch, die Hinweise zur Lösung einiger Rätsel gibt. Wenn man sich dann noch merken konnte, welcher Charakter welche Funktion und welchen Gegenstand hatte, dann ist das Ergebnis schon nahe. Man mag zugeben, dass der Spieler von Adventures heute mit einfachen logischen Rätseln und Hilfefunktionen verwöhnt ist und "Full Pipe" stammt nun mal aus dem Jahre 2003. Damals zeichneten sich Adventure durch Knobeleien aus, und wie es bei "Myst" der Fall ist, konnten sie sich durchaus zu Klassikern entwickeln, allerdings versucht "Full Pipe" zu sehr mit seiner ungewöhnlichen Art die Begeisterung zu erzwingen, denn der Schwerpunkt des Spiels liegt auf die im Rohrsystem lebenden skurrilen Wesen, sie allein machen das Spiel aus. Das Interesse liegt hauptsächlich auf den unterschiedlichen Figuren, die sogar den ungewöhnlichen Hauptcharakter Dude, der scheinbar keine nennenswerte Eigenschaft besitzt, verblassen lassen. Man möchte herausfinden, warum diese teilweise naiven, mal traurigen und mal glücklichen Kreaturen in den Rohren leben und was ihre Hintergrundgeschichte ist. Die Charaktere machen den Charme des Spiels aus und dies vermittelt zunehmend das Gefühl, dass sich die Entwickler zu sehr genau darauf verlassen haben und dabei alles andere vernachlässigten. Jazz kombiniert mit Comic "Full Pipe" sieht man das Entstehungsjahr 2003 grafisch überhaupt nicht an. Der 2D-Comicstil wurde vom russischen Animationsfilmer Ivan Maximov entworfen und in allen Nebencharakteren stecken viel Fantasie und Charme. Das Spiel hat keinen Startbildschirm, sondern beginnt bei jedem Neustart erst einmal wieder von vorn, erst dann kann ein Spielstand geladen werden. Die Optionen beschränken sich auf die Einstellung der Lautstärke, die Grafikoptionen sind nicht veränderbar. Das stört aber nicht, da die Auflösung mit 1024 x 768 durchaus ausreichend ist. "Full Pipe" ist ein Spiel, an dem sich die Geschmäcker scheiden, auch die Musik dürfte nicht jedem gefallen, denn mit Jazz ist es ja immer so eine Sache. Man mag den Stil oder nicht. Allerdings haben es die Entwickler geschafft, die Melodien unaufdringlich im Hintergrund zu halten, so dass auch Nichtliebhaber eine passende musikalische Vertonung im Spiel hören. Wie bereits in "Machinarium" spricht auch in "Full Pipe" keiner der Charaktere ein Wort, bzw. nur unverständliches Gebrabbel. Alles andere wäre für den Titel auch nicht passend gewesen. "Full Pipe" gehört eindeutig in die Kategorie "Ungewöhnlich". Für jeden Adventure-Fan, der viel Wert auf Überlegen und knifflige Rätsel legt, ist der Titel sicherlich eine geeignete Herausforderung. Auch Spieler, die Gefallen an außergewöhnlichen Charakteren finden, sollten sich eine Anschaffung überlegen. Vergleicht man das Spiel allerdings mit allen vorherigen Veröffentlichungen von Daedalic, muss man zugeben, dass "Full Pipe" womöglich die schlechteste Wahl aus dem Angebot ist. (08.09.2010) Minimale - Windows 95/98/ME/2000/XP/Vista/Win 7 - Pentium II 300 - 64 MB RAM - 560 MB Festplattenplatz - DirectX-kompatible Grafikkarte mit 800x600x16 - DirectX-Kompatible Soundkarte - Microsoft DirectX 8.0 oder höher - Keyboard, Maus
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