Falcon 4.0 Allied Force

Falcon 4.0 Allied Force

(Application Systems Heidelberg)

geschrieben von Otto Leo Breitwieser

 

Die Zeit des Falken ist noch lange nicht vorbei

Wer sich bei dem Titel denkt "Wie bitte? Falcon 4.0? Das gab's doch schon mal", der hat nicht Unrecht, denn es wurde bereits 1998 veröffentlicht. Allerdings erst nach langer Entwicklungszeit. Hinzu kam, dass der Erfolg mäßig war, was unter anderem daran lag, dass es nicht gerade bugfrei war. Deshalb hat Microprose von Falcon 4.0 Abstand genommen und es nicht weiterentwickelt. Genau dieser Fakt hat Fans bewegt, selbst an dem Spiel weiterzubasteln, eine Entscheidung, die jetzt in der Veröffentlichung von Falcon 4.0 Allied Force als Vollpreisspiel gipfelt. Bereits im Intro merkt man, dass Allied Force ein Recyclingprodukt ist, denn viele Szenen sind Spielern von Jane's Flugsimulatoren bereits bekannt. Zum Beispiel die vielen Raketenabschüsse, der Ausstieg mit dem Schleudersitz (beide USNF) und die Szenen, in denen ein Panzer von einer Maverick oder Hellfire getroffen wird (AH64D Longbow). Aber weg vom Intro und rein in die Simulation.

Gameplay oder "Requesting clearance for Take-Off"

Wenn das Militär einen Übungssimulator für die F-16 Fighting Falcon bräuchte, dann würde es wohl hier einkaufen, denn eine akkuratere Simulation findet sich wohl nirgends. Entscheidet man sich dafür, den Falcon quasi aus dem Hangar zu fahren, dann hat man erst einmal einen wahren Marathon vor sich denn jeder Handgriff, der in der Realität auszuführen ist, ist auch hier vonnöten. Einzig die Leiter ins Cockpit muss man nicht erklimmen, denn man sitzt bereits zu Beginn des Startvorganges festgeschnallt auf dem Schleudersitz. Sollte man keine Pilotenausbildung auf der F-16 absolviert haben, wird es schwer, den Vogel durch wildes Schaltergeklicke in Bewegung zu setzen. Deshalb empfiehlt sich die Lektüre des ausführlichen und zugänglichen Handbuches, das wie das Spiel selbst in Englisch ist. Leider wurde das 716-seitige Handbuch nur auf der CD als .pdf-Datei mitgeliefert, so dass man zwischen Spiel und Handbuch wechseln muss. Das hätte nicht sein müssen, vor allem, da alle 30 Tutorial-Missionen nur im Handbuch erläutert werden. Es gibt zwar ein kleines, deutsches Druckhandbüchlein, in dem die Hälfte der Tutorial-Missionen erklärt werden, und einige Grundlagen vermittelt werden, aber vor allem durch die fehlenden Bilder ist dieses Büchlein kein Ersatz für das dicke Manual.

Im Spiel selbst gibt es keine Schritt-für-Schritt-Anleitungen wie in vergleichbaren Spielen. Dafür ist ein sehr wichtiges Zubehörteil mitgeliefert, das in vielen Simulatoren schlicht vergessen wird: eine farbige Tastenbelegungskarte. Denn wer schon einmal versucht hat, auf einer S/W-Karte den Unterschied zwischen hellgrau für Shift-Alt und mausgrau für Shift-Strg zu erkennen, weiß, welche Erleichterung hier ordentlich zu unterscheidende Farben bringen. Wenn man die Tastenbelegungskarte genau anschaut, wird man erstmal feststellen, dass es möglich ist, jede Taste bis zu achtmal zu belegen, was auch des Öfteren vorkommt. Es gibt nur sieben Tasten, die nur einmal belegt sind. Spätestens hier wird klar, dass Falcon 4.0 Allied Force kein Spiel für Arcadefans ist, sondern nur für hartnäckige Simulationsfreaks, die auch nach dem 20. Absturz nicht aufgeben und weiter beharrlich versuchen, zwei sehr wichtige Dinge im Leben eines Kampfpiloten gleichzeitig auszuführen: Das Flugzeug in der Luft zu halten und gleichzeitig die gegnerischen Boden- und Luftziele zu bekämpfen. Solange es davon nur wenige gibt, ist das Ganze ja noch relativ einfach, sobald der Feind allerdings in Form von zehn Flugzeugen und diversen Boden-Luft-Waffen auftaucht, ist das alles natürlich etwas haariger.

Sollte man einen Joystick mit Schubkontrolle, Ruderfunktion und mindestens acht Tasten sein Eigentum nennen, so beschränken sich die Schwierigkeiten in der Luft dank der im Grunde simplen Steuerung auf die Gegner oder alternativ das Gelände. Schließlich ist es nicht ratsam, in 1000 Fuß Höhe einen Looping zu fliegen, während das Flugzeug auf dem Kopf steht. Diese Aktion quittiert der Bordcomputer mit sich wiederholenden Warnmeldungen, die man aus sämtlichen Flugsimulatoren kennt. Zuerst "Altitude" und kurz vor dem Einschlag "Pull up". Das Ganze in Form einer netten Frauenstimme. In unserem Fall würde das aber alles nichts nützen, wir würden unweigerlich das Flugzeug in den Boden rammen. Auch die Physik setzt der Fliegerei immer wieder Grenzen, schließlich halten der Körper des Piloten und das Flugzeug nicht unendliche Belastungen aus. Sollten wir versuchen, eine enge Kurve zu fliegen, obwohl wir mit einer Geschwindigkeit von knapp 665 Knoten (in etwa Mach 1) fliegen, kann es schon mal passieren, dass der Pilot zu schnaufen anfängt und irgendwann der Bildschirm allmählich schwarz wird, weil das Blut durch die (imaginäre) Fliehkraft vom Oberkörper in die Beine gedrückt wird. Sollten wir dieses Manöver nicht abbrechen, so laufen wir Gefahr, zeitweise komplett blind zu werden. Dieses Phänomen nennt man Blackout. Analog dazu gibt es den Redout, wenn wir den Stick von uns weg drücken, anstatt ihn an uns zu ziehen. Denn dann drückt es das Blut in den Kopf. Aber nun richten wir den Blick aus der Kanzel auf die Umwelt.

Diese besteht aus zwei Szenarien: dem Balkan (umfasst Italien, Slowenien, die Balkanstaaten bis Albanien und die Adria) und Korea (eingeschlossen: ein kleiner Teil von China und Nord/Südkorea). Bei beiden kann man die Zeit vordrehen, wenn man nicht immer dieselben Kampagnen spielen will. Es gibt drei Zeitstufen (Jetztzeit, also ~2005, 2006 und 2010) und pro Zeitstufe drei Kampagnen, also hat man insgesamt 18 Kampagnen zur Auswahl. Man kämpft in beiden Fällen aufseiten der NATO und hat fünf Versionen der F-16 zur Auswahl. Welche Version man in der Kampagne fliegt, hängt davon ab, welchen Heimatflughafen und damit welches Geschwader man wählt. In Dogfights oder selbstgebauten Missionen kann man immer wieder neu auswählen, welche Version man fliegen will. Wir haben die Wahl zwischen der F-16A-MLU, einer kampfwertgesteigerten F-16A, die in der niederländischen, belgischen, dänischen und norwegischen Luftwaffe ihren Dienst verrichtet, und der F-16C in den Varianten Block 40/42 und Block 50/52. Ersteres ist das Flugzeug, das man fliegt, wenn man in der Kampagne eine nicht-USAmerikanische Staffel wählt. Das zweite Modell ist eine allwettertaugliche F-16, und das dritte eine extra für die Bekämpfung von SAM-Stellungen ausgerüstete F-16. Angesichts der verfügbaren Zeitspanne ist es verwunderlich, dass die neueste Version, die F-16 E/F Block 60, nicht verfügbar ist.

Man kann sämtliche aktuelle und bekannte Raketen an den Falken hängen, von der radargelenkten AIM-120 Sparrow bis zu der hitzesuchenden AIM-9 Sidewinder. Auch an Luft-Boden-Waffen mangelt es nicht. Sowohl laser- als auch trägheitsgelenkte Bomben stehen zur Verfügung und auch auf die AGM-65 Maverick muss man nicht verzichten. Aber was nützt ein tolles Flugzeug mit ordentlichen Waffen, wenn man beides nicht einsetzen kann? Genau deswegen gibt es viele feindliche Ziele, seien sie in der Luft, am Boden oder auf dem Wasser, denn schließlich spielen sich die Kampagnen über ganzen Ländern ab, nicht nur über kleinen Grenzstreifen. Und da die Kampagnen nicht scriptgesteuert sind, sondern dynamisch ablaufen, wirkt sich jede Aktion direkt auf den gesamten Schauplatz aus. Sollten Sie es beispielsweise nicht schaffen, in einer Mission eine Bomberstaffel abzufangen, so kann es Ihnen passieren, dass genau diese spezielle Staffel ihren Heimatflughafen platt macht und sie umziehen müssen. Auch ist es durchaus möglich, dass Ihr gewähltes Ziel für eine Mission gar nicht mehr existiert, weil einer ihrer Verbündeten dieses bereits in Schutt und Asche gelegt hat oder es mittlerweile von den eigenen Truppen eingenommen wurde. Besonders haarig wird es, wenn man Tanker oder eines der Radarflugzeuge verliert, denn dann spürt man die Auswirkungen unmittelbar an verkleinerten Aktionsradien oder schlechteren Informationen über die Stärke und Position des Feindes. Denn die E-3 Sentrys sind quasi die fliegenden Schaltzentralen, in denen alle Informationen zusammenlaufen. Von dort bekommt man als Jägerpilot auch ständig per Funk mitgeteilt, wie die Situation im weiteren Umkreis aussieht, ob das Ziel geändert wurde oder ob man sich schleunigst aus dem Staub machen sollte, da eine Aufklärungseinheit eine übermächtige gegnerische Staffel entdeckt hat, die direkt auf den Spieler zukommt.

Sollte man einmal keine Lust darauf haben, selbst in einem Kampfflugzeug zu sitzen, kann man die Kampagnen auch von einer E-3 aus verfolgen und sämtlichen Einheiten Befehle erteilen. Zu lernen, wie man in der E-3 agiert, und wie man es hinbekommt, dass überhaupt etwas auf den Radarschirmen zu sehen ist dauert, eine Weile. Aber danach ist es doch interessant zuzusehen, wie das Geschehen abläuft. Egal, für welchen Modus man sich entscheidet, man sollte viel Zeit mitbringen. Denn standardmäßig läuft das Spiel in Echtzeit. Man kann zwar jederzeit den Zeitraffer einschalten, aber wenn man die höchste Beschleunigung einstellt (64fach), wird es doch recht hektisch.

Zurzeit ist es ja Pflicht, einen ordentlichen Multiplayermodus in jedes Spiel einzubauen, da selbst die beste KI keinen Menschen ersetzen kann und das haben auch die Entwickler von Allied Force erkannt. Sie liefern daher einen für Flugsimulatoren großen, sprich für eine hohe Anzahl an Mitspielern geeigneten, Multiplayermodus mit. In diesem kann man sich entweder einzeln oder in Teams einfach nur beharken, oder die Kampagnen aus dem Singleplayermodus spielen. Ein nettes Feature ist, dass man gespeicherte Spiele aus dem Singleplayer- im Multiplayermodus weiterspielen kann. Das Ganze funktioniert sowohl im LAN als auch im Internet.

Grafik oder "Bandits on 3 o'clock high"

Grafisch hat sich seit 1998 einiges getan und das merkt man auch dem Falken an. Leider auch nur dem Flugzeug des Spielers. Vor allem die Feindflugzeuge sind auf dem damaligen Stand stehen geblieben und wirken leicht eckig. Die Bodentexturen sind aber ordentlich, Städte erscheinen als kleine Ansammlung von Hochhäusern, durch die man auch im Zickzack hindurchfliegen kann. Ansonsten ist die Grafik Standard, mit einer fixen Auflösung von 1024*768 mit wahlweise D3D, T&L, HAL, und diversen Detaileinstellungen für Landschaft und Objekte.

Sound oder "Flight Hornet 1 requesting orders"

Auch am Sound gibt es nichts auszusetzen. Da das Spiel in Englisch ist, klingen die Funksprüche authentisch. Ferner schallen sie häufig durch die Lautsprecher, da es ja ständig etwas zu berichten gibt. Auch das Triebwerk liefert eine ordentliche Geräuschkulisse, man hört also, dass man genügend Power im Flugzeug hat und nicht auf einem Zahnstocher reitet. Die Musik in den Menüs ist abschaltbar, aber eigentlich ganz erträglich, da sie nicht aufdringlich oder allzu fetzig ist, sie klingt eher nach sphärischen Klängen.

Alles in allem ist Falcon 4.0 Allied Force ein gelungenes Recyclingprodukt, das vor allem durch die riesigen Operationsgebiete und den Tausenden gleichzeitig agierender Einheiten besticht. All jene, die seit Jahren auf einen militärischen Flugsimulator warten, der diesen Namen auch verdient, sollten nicht lange zögern und sich dieses Spiel ins Regal stellen. Auch Falcon 4.0 Veteranen mit Hunger auf neue Schauplätze können zugreifen, denn das Grundgerüst ist schließlich dasselbe. Hobbypiloten, die einfach einsteigen und losfliegen möchten, sei von einem Kauf abgeraten, denn ohne Handbuchstudium ist man heillos verloren.

(02.09.2005)

Entwickler: Lead Pursuit
Publisher: Application Systems Heidelberg
Genre: Flugsimulation
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Falcon 4.0 Allied Force
Preis: 27,99 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 12 Jahren gemäß §14 JuSchG

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