„Cognition: An Erica Reed Thriller“ wurde im Jahre 2011 via Kickstarter finanziert, erschien dann für Windows und Mac OS. In insgesamt vier Point-'n'-Click-Episoden muss sich Erica Reed gegen diverse Verbrecher beweisen: „The Hangman“, „The Wise Monkey“, „The Oracle“ und „The Cain Killer“. Die Folgen können entweder einzeln oder als Game-of-the-Year-Edition heruntergeladen werden.
Ich sehe tote Menschen!
„Cognition: An Erica Reed Thriller“ erzählt, wer hätte das gedacht, die Geschichte von Erica Reed, die als FBI-Agentin arbeitet. Allerdings ist sie nicht einfach nur eine Agentin, die morgens aufsteht, zur Arbeit fährt und dann einen Fall nach dem anderen aufklärt. Sie ist eine ganz besondere Ermittlerin, denn sie hat übersinnliche Fähigkeiten. Berührt sie beispielsweise einen Gegenstand, kann sie sehen, was zuvor mit diesem passiert ist. Natürlich ist das sehr hilfreich, wenn man Mordfälle aufzuklären versucht oder in einer Falle sitzt.
Die Storys der „Cognition“-Episoden behandeln jeweils eine andere Geschichte. Vorteilhaft für das Storytelling war sicherlich, dass Jane Jensen, Schöpferin der „Gabriel Knight“-Reihe, als Beraterin an den vier Episoden beteiligt war. Während ihr im ersten Teil einen Mörder jagt, der seine Opfer erhängt, verfolgt ihr in Episode 2 einen Mörder, der seine Opfer brutal verstümmelt. In Folge 3 gilt es, die Identität von Oracle aufzudecken, und im großen Finale müsst ihr den Cain-Killer endgültig stoppen. Die Geschichten sind spannend erzählt und gewürzt mit gut gestreuten Schockmomenten, was die Motivation auf jeden Fall aufrechterhält. Weiterhin wird die recht düstere Story immer wieder durch Scherze und Seitenhiebe ein wenig aufgelockert, was für Entspannungsmomente sorgt.
Schön ist, dass man eine Bindung zu den Charakteren aufbaut und es einem sogar leidtut, wenn ein Charakter in Gefahr gerät, den man innerhalb der Episoden kennengelernt hat. Diese Emotionalität tröstet dann sogar darüber hinweg, dass in den einzelnen Folgen immer wieder klischeebehaftete Figuren auftauchen. Natürlich ist der Technikfachmann ein etwas dicklicher Mann mit Brille und Hawaiihemd, und der Kollege John mit Trenchcoat steht total auf Donuts und hat immer ein nettes Wort übrig, kann aber auch mal den bösen Cop raushängen lassen.
War ich hier nicht schon einmal?
Ein weiterer positiver Aspekt der Story ist, dass das Spiel mehrere Alternativwege bietet. Mehrfach bekommt man die Möglichkeit, sich für eine von mehreren Optionen zu entscheiden, die dann den weiteren Verlauf des Spiels beeinflussen. An einer Stelle hat man beispielsweise die Möglichkeit, einem Nicht-Spieler-Charakter (kurz: NSC) zu helfen oder ihn zu erpressen. Je nachdem, wofür sich entschieden wird, passt sich der Spielverlauf an. Natürlich sind die Auswirkungen nicht so groß, wie man es beispielsweise von Telltale Games' „The Walking Dead“ kennt, wo man vorher regelrechte Pro- und Kontralisten aufstellt, aber es ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, um den Wiederspielwert zu erhöhen.
Es ist allerdings schade, dass es, im Vergleich zu anderen Spielen aus dem Genre, nur wenige Gebiete gibt, die dann sogar noch mehrfach und wiederholt in den Episoden besucht werden. Es ist doch sinnlos, dass man wegen eines Gegenstandes den Ort wechseln muss, der bereits bei einem früheren Besuch auffiel, da aber noch nicht anklickbar war oder nur wenige Informationen bot. So kehrt man beispielsweise häufiger zum Tatort aus der ersten Episode zurück, nachdem man eine neue Fähigkeit erlernt hat. Nun muss man ein kleines Rätsel lösen und plötzlich entdeckt Erica eine versteckte Nische mit dem nächsten Hinweis. Es ist ziemlich schade, dass das Skript einen so in eine Ermittlungsschiene drückt und den Entdeckerdurst bremst. Zudem kommt das Gefühl auf, dass das Abenteuer mit solchen wiederholten Handlungen künstlich in die Länge gezogen werden soll. Kein Wunder also, dass man pro Episode etwa auf fünf Stunden Spielzeit kommt.
Innovation trifft 08/15
Die Rätsel, die innerhalb der Episoden gelöst werden müssen, sind recht unterschiedlich und erhalten durch die übersinnlichen Fähigkeiten von Erica ein ganz neues Flair. Anfangs kann man beispielsweise nur in die Vergangenheit von Gegenständen schauen. Später erhält man die Fähigkeit, ganze Handlungsabfolgen zu rekonstruieren oder hilft Zeugen durch gewisse Denkanstöße, sich besser in die Vergangenheit zurückzuversetzen. Eine neue Erfahrung wird dadurch geboten, dass der Polizeicomputer immer wieder für Ermittlungsarbeiten genutzt werden kann und muss. Hier können Fallakten geöffnet, nach Personen gesucht oder E-Mails mit weiteren Hinweisen gecheckt werden.
Diese Innovationen werden immer wieder in Rätseln präsentiert, die auf jeden Fall beweisen, dass es den Willen gibt, den Spieler nicht nur durch die typischen 08/15-Knobeleien zu quälen. Ganz darauf verzichtet wurde allerdings nicht, und so müssen wieder Gegenstände untersucht, kombiniert und NSCs darauf angesprochen werden. Allerdings nervt es, dass immer nur ein Gegenstand gleichzeitig genutzt werden kann und diese Items umständlich über das Menü zunächst in die Ablage gelegt werden müssen, bevor man diese auch in der Spielwelt benutzen kann. Es wäre schöner, wenn man beispielsweise auf einen Gegenstand klickt und dann aus dem Inventar das gewünschte Objekt, das man darauf anwenden mag, direkt auswählen könnte. Anfangs ist das recht gewöhnungsbedürftig, doch nach kurzer Spielzeit hat man sich auch daran gewöhnt und die verzwickte Steuerung verinnerlicht.
Papa … bitte hilf mir
Sollte man an einer Stelle mal nicht weiterkommen, gibt es ein Hilfesystem, das einen immer wieder auf den rechten Weg zurückbringt. Besonders schön ist, dass dies nicht einfach nur über einen Button ausgewählt wird und dann aufploppt. Es ist innerhalb des Handys zu finden und wurde so umgesetzt, dass Erica ihrem Vater eine SMS schreibt, der dann mit passenden Tipps eine Kurzmitteilung zurücksendet.
Und wenn man gerade mal im Handy stöbert, dann ist auch die Notizfunktion eine gute Bereicherung. Hier können selbstständig über die Tastatur Notizen eingetippt werden, die man im Laufe der Abenteuer sammelt und jederzeit bei einem Rätsel wieder über das Handy aufgerufen werden können. Hilfreich ist auch die Hotspot-Anzeige, die alle Gegenstände im jeweiligen Gebiet anzeigt, mit denen Erica interagieren kann. Hierbei werden allerdings alle als gleichwertig dargestellt und wichtige Items nicht besonders hervorgehoben. Im schlimmsten Fall müsst ihr also doch kreuz und quer alles an- und durchklicken. Aber das gehört wohl einfach zu einem Point-'n'-Click-Adventure dazu.
Grafik
Die Grafik von „Cognition: An Erica Reed Thriller“ ist anfangs sicher ein wenig gewöhnungsbedürftig. Während die 2D-Hintergrundgrafiken handgemalt wie etwa in Graphic Novels aussehen, sind die 3D-Charaktere eher comichaft dargestellt, was hier einen gewissen Kontrast hervorruft, aber irgendwie auch zu faszinieren weiß. Dazu passt dann auch, dass wichtige Momente in den Storys in Comicstrips erzählt werden, die die Neugier auf die nächsten Abenteuer immer wieder wecken.
Perfekt ist die Grafik allerdings nicht, denn es kommt leider immer mal vor, dass die Charaktere im Spiel durch Gegenstände einfach hindurch, statt außen herum laufen. Zudem fehlen ein wenig die Animationen, die die Gebiete zum Leben erweckt hätten. Es gibt kein Flackern von Kerzen oder Blätter, die im Wind wehen. Das Einzige, was flimmert, sind die Kanten im Spiel. Auch das Charakterdesign kann nicht immer überzeugen, denn die Bewegungen mancher Charaktere wirken extrem roboterhaft und die Gesichter sehen in der Nahansicht unnatürlich aus. Ob dies nun ein Ausschlusskriterium ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Das Spiel gibt es bisher nur mit englischer Sprachausgabe und deutschen Untertiteln, was natürlich nicht jedem gefallen wird. Aber lieber Originalsprecher, die sich wirklich Mühe geben, dem Spiel Leben einzuhauchen, als eine schlechte deutsche Vertonung. Positiv ist, dass die Synchronsprecher als auch die musikalische Hintergrundmusik selten negativ auffielen. Zugegeben, wenn man lange an einem Rätsel sitzt oder dieses durch einen Fehler immer wiederholen muss und dann immerzu das gleiche Gedudel ertönt, nervt das schon. Aber meist geht es dank logischer und einfacher Rätsel zügig weiter, und so ist der Nervfaktor eher gering.
Offizieller Trailer