In den vergangenen Jahren hat die Spieleindustrie einen Zuwachs an Indie-Titeln wie „Spelunky“ und „Rogue Legacy“ erlebt, die in der Tradition des Spiels „Rogue“ stehen und die Idee von einzelnen Durchläufen aufgreifen. Der Spieler rennt dabei in einem Durchgang durch ein zufällig generiertes Fantasy-Setting und bekämpft diverse Monsterhorden, bis am Ende des jeweiligen Dungeons eine rettende Leiter auf ihn wartet, die ihn zur nächsten Ebene bringt. Der Knackpunkt: Wenn der Spieler stirbt, muss er wieder ganz von vorne beginnen. Was zählt, ist die eine Runde, in der der Spieler seinen Durchlauf perfektioniert und in einem Rutsch meistert. Publisher Devolver Digital, seinerseits verantwortlich für den Vertrieb der „Serious-Sam“-Reihe, hat nun in Zusammenarbeit mit Entwickler Terri Vellmann ein solches Spiel auf den Markt gebracht. „Heavy Bullets“, das die Verantwortlichen selbst als “Dungeon Crawler FPS“ bezeichnen, greift die Idee von „Rogue“ auf und würzt diese mit einer interessanten Mixtur aus grellen Farben und synthetischen Sounds.
Willkommen im Neon-Dschungel
Das, was sofort ins Auge sticht, ist der auffällige Grafikstil des Spiels: „Heavy Bullets“ entführt uns in ein psychedelisch angehauchtes Dschungel-Setting, das in eine grellbunte Neon-Farbpalette getaucht ist. Die verschiedenen Ebenen, auf denen wir uns bewegen, unterteilen sich in rechtwinklig strukturierte Räume, deren farbenfrohes Mauerwerk vom Boden bis in den dunklen Himmel ragt. Die grasbedeckte Dschungellandschaft, die sich aus hohen Bäumen, wuchernden Pflanzen und massiven Felsen zusammensetzt, wird, wie auch der Rest des Spiels, mit wenigen Polygonen gestaltet und sorgt für einen interessanten Retrocharme.
Unsere Aufgabe in „Heavy Bullets“ klingt simpel: Weil das Sicherheitssystem außer Kontrolle geraten ist, müssen wir in einer Welt namens „Highrise Hunting Grounds“ insgesamt acht Ebenen durchqueren, um am Ende den Zentralcomputer auszuschalten. Wir starten die Partie mit drei Granaten und einem Revolver, der mit sechs Kugeln geladen ist. Mit dieser Ausrüstung versuchen wir uns durch mehrere Räume durchzuschlagen, bis wir schließlich die rettende Einstiegsluke erreichen, die uns auf die nächste Ebene bringt. Es versteht sich von selbst, dass der Schwierigkeitsgrad und die Komplexität der Dungeons von Stufe zu Stufe kontinuierlich zunehmen und unsere Feinde immer zahlreicher und stärker werden.
Das Ziel heißt Überleben
Das, was „Heavy Bullets“ so interessant macht, ist das Spielkonzept, das unsere Munitionsvorräte drastisch einschränkt. Wir müssen mit wenigen Kugeln und Granaten über die Runden kommen –
komme, was wolle. Töten wir einen Gegner, spuckt er unsere Kugeln wieder aus und lässt zusätzlich ein paar Goldmünzen fallen, die wir unbedingt aufsammeln sollten. Auch wenn wir das Ziel verfehlen und unseren Schuss in die nächstbeste Wand feuern, fällt jede Kugel wieder zu Boden, hüpft auf und ab und wartet nur darauf, von uns wieder eingesammelt und zurück in den Revolver geladen zu werden. Munition ist in „Heavy Bullets“ ein kostbares Gut. Darum müssen wir stets konzentriert vorgehen und den Abzug unseres Revolvers mit höchster Präzision betätigen. Es sollte unbedingt vermieden werden, einfach in den nächsten Raum zu stürmen, um alles umzunieten, was nach Gegner aussieht. Wenn wir nach diesem Prinzip handeln, sehen wir den Gameover-Bildschirm schneller, als uns lieb ist.
Der virtuelle Tod führt nicht nur dazu, dass wir unser gesammeltes Gold und mögliche Items verlieren, sondern zwingt uns, das Spiel wieder von vorne zu beginnen; egal, in welcher Ebene wir gerade unterwegs waren. In der gefährlichen Dschungelwelt von „Heavy Bullets“ ist die Gefahr eines raschen Todes allgegenwärtig. Überall lauern Kreaturen auf uns, die einem Albtraum entsprungen zu sein scheinen: So tummeln sich in den ersten Räumen hauptsächlich schwarze Monster mit scharfen Zähnen, die bedrohlich auf uns zufliegen, wenn sie uns bemerken. Aber auch diverse umherkriechende Würmer, die sich am liebsten unbemerkt unter einer Pflanze verstecken und uns meist völlig überraschend angreifen, machen uns das Leben schwer. Auf späteren Ebenen begegnen wir darüber hinaus langbeinigen Spinnentieren, lebensmüden Käfern, die auf uns zustürmen und sich vor unseren Augen in die Luft sprengen wollen, sowie gepanzerten Nashörnern, deren hinterer Bereich die einzige Angriffsstelle markiert. Eine große Gefahr geht von statischen Geschütztürmen aus, die unsere Bewegungen verfolgen und unsere Lebensenergie mit einem Intervall aus Laserstrahlen – später mit Raketensalven – sehr schnell dezimieren können. Auf späteren Ebenen machen diese Geschütztürme als mobile Einheiten aus der Luft Jagd auf uns.
Nach kurzer Eingewöhnungszeit werden wir jedoch mit der rudimentären KI unserer Gegner vertraut und können ihre Handlungen sowie Laufwege besser einschätzen. Bisweilen kann es passieren, dass ein feindlicher Geselle auch mal hinter einer Mauer oder einem Stein stecken bleibt und wir somit genügend Zeit haben, ihm eine Kugel zu verpassen. Obwohl wir es also mit recht simpel gestrickten Zeitgenossen zu tun haben, kann der Auftritt von mehreren Feinden im gleichen Raum zu einem tödlichen Problem für uns werden. Da kann es schon einmal passieren, dass wir all unsere wertvollen Kugeln verbrauchen, im Anschluss mit leerem Revolver vor den Feinden fliehen müssen und panisch versuchen, noch auf die Schnelle eine Kugel vom Boden aufzusammeln. Die Furcht, dass unser Fortschritt mit einem Schlag zunichtegemacht werden kann, sitzt uns stets im Nacken.
Lebensenergie aus dem Automaten
Einen vermeintlichen Hoffnungsschimmer für unseren Überlebenskampf bilden die Automaten, die zahlreich innerhalb der Dungeons verstreut sind und uns für den entsprechenden Geldbetrag unterschiedliche Gegenstände anbieten. An Bankautomaten können wir unsere gesammelten Goldmünzen einzahlen, um nach unserem Ableben den nächsten Durchlauf nicht wieder vollkommen bankrott meistern zu müssen. Ein anderer Automat versorgt uns mit allerlei gesundheitsfördernden Mitteln wie Lebensenergie, Gegengiften und bunten Pillen zur Erhöhung der Schnelligkeit. An einem Waffenautomaten können wir uns mit Ersatzkugeln, zweierlei Bomben und einem Messer für den Nahkampf eindecken. Obwohl wir nur über zwei freie Spots für zusätzliches Equipment verfügen, können diese im Ernstfall für Sieg oder Niederlage entscheidend sein. Leider können wir die Items nicht in die nächste Ebene mitnehmen und müssen in jedem Dungeon aufs Neue entscheiden, was wir für unseren weiteren Weg am besten gebrauchen könnten. Nur durch überlegtes Vorgehen schaffen wir es, uns bis zum Zentralcomputer durchzuschlagen.
„Heavy Bullets“ knüpft an die Tradition von „Rogue“ an und gestaltet in jeder neuen Runde den Dungeon per Zufallsprinzip ein wenig anders. Das sorgt nicht nur dafür, dass sich jede Partie einen Tick anders spielt, sondern verhindert zudem, dass wir uns auf die Beschaffenheit eines Dungeons einstellen können. Da Gegner- sowie Automatenpositionen neu verteilt werden und auch der Weg durch den Dungeon abgeändert wird, ist jeder Durchlauf eine neue Herausforderung für uns. Schade ist nur, dass sich die einzelnen Ebenen stilistisch zu wenig voneinander abheben und das Dschungelinterieur trotz einiger Variationen, die Grundfarbe und Helligkeit betreffen, stets das gleiche bleibt und wir an den immer gleichen Bäumen und Felsen vorüberziehen. Hier hätte das Spiel eine zusätzliche Schippe an kreativem Wahnsinn vertragen können. Der Grundgedanke, dass ein Sicherheitssystem aufgrund eines Systemfehlers im Zentralcomputer plötzlich Amok läuft, schreit förmlich nach verrückten Ideen, mit denen der Spieler hätte konfrontiert werden können. Doch alles, was „Heavy Bullets“ in dieser Hinsicht bietet – fliegende Geschütztürme und explodierende Käfer –, ist deutlich zu wenig. Hier wurde die Chance vertan, dem Titel einen ganz eigenen, unverwechselbaren Stempel aufzudrücken.
Der dynamische Soundtrack weiß dagegen zu gefallen. Die synthetische Musik harmoniert perfekt mit der psychedelischen Farbenwelt des Dschungels und begleitet uns mit trommelnden Beats durch die verschiedenen Ebenen. Nähern wir uns einer Gefahrenzone, schwillt die Musik an und ebbt erst wieder ab, wenn wir die Feinde ausgeschaltet haben. Dadurch haben wir das Gefühl, dass die Musik förmlich mit uns spielt und sich den jeweiligen Umständen so anpasst, als würde sie das Geschehen kommentieren. Auch das Sounddesign sticht durch ein facettenreiches Klangspektrum hervor. Sei es nun das Klingeln der Münzen, der Schuss unseres Revolvers oder das Gezwitscher der Vögel im Hintergrund – all diese Geräusche zusammen schaffen eine atmosphärisch dichte Klangkulisse und kreieren ein stimmiges, künstliches Flair.
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