Nachdem sich "Starpoint Gemini" als ein großer Fehlschlag erwiesen hatte, wäre es typisch für die Gaming-Branche gewesen, wenn der Titel samt dem Entwicklerstudio für lange Zeit in Vergessenheit geraten wäre. Doch entgegen allen Erwartungen gibt es einen Nachfolger, der verspricht, aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben. Lesen Sie im folgenden Testbericht, ob dieses Spiel eine zweite Chance verdient hat.
"Dr. Schlotter – tun Sie Ihr Schlimmstes!" (Spaceballs)
Die Hintergrundgeschichte von "Starpoint Gemini 2" spielt logischerweise im selben Universum wie der Vorgänger. Die menschliche Zivilisation ist nach wie vor durch den Konflikt zwischen den Weltraumkolonien und dem heimatlichen Imperium zerrissen. Der Spieler übernimmt die Kontrolle über einen jungen Raumschiffkapitän, dessen Vater ein verdienter Kriegsheld des Unabhängigkeitskrieges ist. Voller Tatendrang, endlich aus dem gewaltigen Schatten seines Familienoberhauptes hinauszutreten, begibt sich der Jüngling auf eine erste Mission, mit einem kleinen Schiff an einer nahegelegenen Raumstation etwas abzuholen. Es stellt sich jedoch heraus, dass Papa seinen Sohnemann unter einem Vorwand weggeschickt hatte, weil er einen Angriff auf das eigene Leben befürchtete und seinen Sprössling schützen wollte. Die Befürchtung bewahrheitet sich und das heimische Trägerschiff wird von Unbekannten mit Waffengewalt zerstört. Besinnt auf Rache, macht sich der Held auf, Hinweise zu sammeln, die sein Vater ihm hinterlassen hat. Dabei stößt er auf eine Verschwörung, die einen viel gefährlicheren Widersacher aufdeckt, als das allmählich erstarkende Imperium, das im Gemini-Sektor Fuß fassen konnte.
"Im Raumschiff Entenscheiß funktioniert es ja auch." (Spaceballs)
Die Entwickler von "Starpoint Gemini 2" haben beschlossen, dass es nicht nötig ist, das Rad neu zu erfinden. Dementsprechend ähnelt dieser Titel nach wie vor stark einer anderen bekannten Weltraumsimulation – nämlich "X³: Terran Conflict". Der Spieler entscheidet sich zu Beginn für eine Klasse, die im weiteren Verlauf seine besonderen temporären Fähigkeiten bestimmt. Der "Kommandant" kann mit "Taktik" seine Flotte anspornen, mehr Schaden auszuteilen. "Vergeltung" ruft negative Effekte bei Angreifern hervor. Mit "Verteidiger" verschanzt sich der Spieler hinter mächtigen Schilden, während "Steuerung" das eigene Gefährt flink und wendig macht. Der "Schütze" hat dagegen auf viele Probleme immer dieselbe Antwort in Form von geballter Feuerkraft. Folglich optimieren seine Skills die Waffenleistung. Viel gewiefter geht der "Ingenieur" vor, indem er sich in die Systeme feindlicher Schiffe hackt, seine eigenen Energieleitungen verstärkt und notfalls eine Weltraumanomalie erzeugt, die physikalische – oftmals schädliche – Veränderungen an der Umgebung hervorruft.
Alle besonderen Fähigkeiten können nur auf begrenzte Dauer eingesetzt werden, weil sie Energie verbrauchen und nach Benutzung erneut aufgeladen werden müssen. Für weitere Zusatzeffekte sorgen Ausrüstungsgegenstände, die der Held gegen Bares an zahlreichen Stationen oder Planeten erwirbt. Es gibt beispielsweise Nanoroboter, die das beschädigte Gefährt im offenen Weltraum reparieren können. Viral-Torpedos greifen direkt die Besatzung eines Feindschiffes an, sodass es leichter mit eigenen Truppen erobert werden kann, und mobile T‑Drives erlauben Hyperraumsprünge in einem bestimmten Radius. Komplettiert wird das Inventar durch zahlreiche Waffen, die entweder auf Laserstrahlen, Projektilen, Plasma oder selbst angetriebenen Geschossen wie Raketen basieren. Das Arsenal baut man in die unterschiedlich angeordneten Positionen am Gefährt ein, sodass sie dann in den zugehörigen Feuerbögen bei vorgegebener, technisch möglicher Reichweite den Feind beschießen.
In Gefechten zeigt sich die taktische Komponente dieses Spiels, denn im Gegensatz zum Vorgänger bewegen sich die Schiffe in "Starpoint Gemini 2" wirklich im dreidimensionalen Raum. Daher muss der Spieler stets im Auge behalten, welche Seite er gerade seinen Gegnern zuwendet. Es ist zum Beispiel sinnvoll, feuerbereite Kanonen in voller Breitseite abzufeuern, während die Wand des Gefährts mit geschwächten Schilden zum Aufladen abgedreht werden sollte. Zusammen mit den besonderen Klassenfertigkeiten, die auch den Nicht-Spieler-Charakteren zur Verfügung stehen, bieten die Kämpfe eine gute Herausforderung. Darüber hinaus besitzt das Spiel ein rudimentäres Wirtschaftssystem, mit dem der Spieler den Erwerb weiterer Schiffe, zwischen denen er in der Garage jeder beliebiger Raumstation wechseln kann, finanziert.
Waren werden an unterschiedlichen Stellen eingekauft und möglichst gewinnbringend verkauft. Das Interface zeigt dem Spieler mit farbigen Pfeilen, ob sich das Geschäft für ihn lohnt. Ein roter Pfeil, der nach unten zeigt, bedeutet beispielsweise, dass man Verlust machen würde. Eine weitere sichere Einnahmequelle ist der Abbau von Asteroiden. Der Spieler muss ein Asteroidenfeld finden und die dort umherfliegenden Klumpen mit seinen Kanonen unter Beschuss nehmen. Die Brocken zerfallen in wichtige Rohstoffe, die man einsammelt und verkauft. Dummerweise sind die Rohstoffpreise vergleichsweise niedrig, sodass sich die Arbeit erst lohnt, wenn man einen großen Raumfrachter mit riesigem Lagerraum zur Verfügung hat.
Wer schneller an Geld kommen will, kommt im Gemini-System nicht an der Illegalität vorbei. Es ist möglich, bestimmte Waren an unabhängigen Stationen einzukaufen, die in anderen Sektoren als verboten gelten. Bei Verboten steigt erfahrungsgemäß die Nachfrage, sodass der Spieler mit Schmuggel viel Geld verdienen kann, wenn er sich nicht von den Patrouillen der Fraktionen erwischen lässt. Wer nicht schnell oder listig genug ist, muss mit einer saftigen Geldstrafe rechnen. Alternativ ist es möglich, den Weg der Piraterie einzuschlagen und nichts ahnende Händler zu überfallen. Allerdings macht man sich auf diese Weise sämtliche Fraktionen zum Feind, sodass ein Abschluss der Hintergrundgeschichte nahezu unmöglich wird.
Schließlich darf sich der Held sein Zubrot verdienen, indem er zufallsgenerierte Missionen, die auf seiner Sternenkarte angezeigt werden, annimmt und erfüllt. Es gibt grob klassifiziert drei Auftragsarten: Kopfgeldjagd, Transporteur und Forscher. Der Kopfgeldjäger wird auf finstere Gestalten angesetzt, um sie zu eliminieren oder wehrlos gekapert mit seinem Traktorstrahl abzuschleppen. Der Transporteur legt große Entfernungen zurück, um Mann wie auch Hab und Gut sicher ans Ziel zu bringen. Der Forscher untersucht Weltraumanomalien aus nächster Nähe. Für jeden erfüllten Auftrag wird automatisch eine vorher vereinbarte Summe überwiesen. Darüber hinaus winken Erfahrungspunkte sowie ein Rufzuwachs bei der Fraktion, die den Job ausgeschrieben hat. Zum Handel ist es die am besten bezahlte und sicherste Alternative, zumal der Spieler so schnell in den Stufen aufsteigt, Fähigkeitspunkte für seine temporären Skills dazuverdient und Sonderboni freischaltet, die aus ihm einen äußerst gefährlichen Bürger von Gemini machen.
Leider wird "Starpoint Gemini 2" schnell langweilig, denn abseits der sehr kurzen Hintergrundgeschichte gibt es außer Geldverdienen nichts für den Spieler zu tun. Spätestens wenn man den dicksten Weltraumkreuzer mit den mächtigsten Kanonen besitzt, verliert der Titel schnell seinen Reiz. Es besteht keine Motivation, das riesige Spieluniversum zu erforschen, weil die besten Waffen und Schiffe am selben Ort gekauft werden können, wo die Hintergrundgeschichte ihren Anfang genommen hat. Lediglich die Aussicht, einige äußerst seltene Blaupausen für verlorene Technologien sammeln zu können, mag einige hartgesottene Spieler länger vor dem Bildschirm halten. Alle anderen schalten spätestens nach der Vervollständigung der Hintergrundgeschichte ab.
Was können Spieler gegen die drohende Langeweile tun? Sehr viel, denn die Entwickler haben der Community ihre Werkzeuge überlassen, damit sie selbst die Inhalte des Spiels modifiziert. So finden sich im Steam-Workshop bereits etliche Erweiterungen, die zum Beispiel Raumschiffe aus anderen Science-Fiction-Universen implementieren. Die Installation ist dabei denkbar einfach: Mod abonnieren, herunterladen und im Spiel aktivieren. Wenn noch ein Mehrspielermodus dazukäme, wäre der Titel das perfekte "EVE Online light".
"Unterschätze niemals die Macht des Saftes." (Spaceballs)
Die Steuerung von "Starpoint Gemini 2" ist gewöhnungsbedürftig. Es gibt einfach zu viele Befehle, die vom Interface – inklusive eines Kontextmenüs – nicht sinnvoll abgedeckt werden. Theoretisch kann man im Gefecht die Energie auf die belasteten Schilde leiten oder Waffen verstärken, damit ihre Schussrate steigt. Praktisch hat der Spieler schon genug damit zu tun, seinen Feind im Visier zu behalten sowie ihn gezielt zu beschießen, um beispielsweise das geschwächte Schiff zu kapern. Die alternative Autofeuer-Funktion macht alle taktischen Bemühungen zunichte, indem sie stets aus vollen Rohren den Gegner beharkt, bis dieser nur noch Klump und Asche ist. Am sinnvollsten erweist sich die Kombination aus Maus und Tastatur, weil auf einem Gamepad nicht genug Tasten vorhanden sind, um alle Befehle abzudecken.
"... durchkämmt die Wüste!" (Spaceballs)
Die Grafik des Spiels ist zeitgemäß und kann locker mit Konkurrenztiteln mithalten. Allerdings gibt es in Full-HD-Auflösung nach wie vor technische Probleme bei Spielern, deren Monitor nicht mehr als 60 Hz darstellen kann. Der Bildschirm bleibt schwarz und erst eine Verkleinerung des Programms auf Fenstergröße (Alt+Enter) macht "Starpoint Gemini 2" sichtbar. Insgesamt begeistert die optische Präsentation des Spiels mit viel Liebe zum Detail und behält dabei immer noch vernünftige technische Anforderungen an den Spielrechner. Nach dem aktuellen Update gibt es so gut wie keine Skriptfehler in der Hintergrundgeschichte mehr, die vormals zu Abstürzen geführt hatten.
"Danke, dass Sie den Selbstzerstörungsknopf gedrückt haben." (Spaceballs)
Die Hintergrundmusik ist in "Starpoint Gemini 2" schön unauffällig und erinnert an Lounge-Sound. Die Geräuschkulisse wirkt authentisch, sofern man davon absieht, dass Explosionen im Vakuum des Weltalls unhörbar sein müssten. Lediglich die Arbeit der Synchronsprecher scheint etwas demotivierend gewesen zu sein. Zumindest kann man dies aus den Stimmen heraushören. Viel schlimmer ist aber die englischsprachige Vertonung: Die Stimmen wirken derartig übertrieben und vom Klang daneben – der junge Held spricht zum Beispiel in tiefem Bariton –, dass sie unfreiwillig komisch erscheinen.