Als im Jahr 1993 das kleine Gütersloher Unternehmen Ascon (später Ascaron) seinen ersten Fußballmanager namens „Anstoss“ veröffentlichte, war das der Anpfiff für eine beispiellose Erfolgsgeschichte, die jedoch vor geraumer Zeit durch die Insolvenzwelle deutscher Entwicklerstudios traurig endete. Danach wurde es auch ruhig um das ehemals beliebte Genre, selbst EA Sports hat die FM-Serie mittlerweile aufgegeben. Im Jahr des WM-Triumphs der deutschen Nationalmannschaft meldet sich ausgerechnet ein kleines Team aus Gütersloh mit „Torchance 2015“ zurück, um Hobbymanager wieder aufs Spielfeld zu locken.
Alte Tugenden
Das hilfreiche Handbuch im PDF-Format offenbart die simple Spielidee von „Torchance 2015“, nämlich eine Saison in weniger als 60 Minuten absolvieren zu können. Um es vorwegzunehmen: Dieses Vorhaben ist locker machbar, doch müssen Spieler im Gegenzug viele inhaltliche Abstriche in Kauf nehmen. Das unkomplizierte Management des gewählten Vereins und der anfallenden Aufgaben ist nicht vergleichbar mit der Komplexität und Spieltiefe von Schwergewichten wie dem „Football Manager“ von SEGA oder dem bis zum letzten Jahr erschienenen „Fussball Manager“ aus dem Hause EA Sports.
Der Einstieg in die vorliegende Version 1.38 gestaltet sich für heutige Verhältnisse erfreulich kundenfreundlich und ist eine lobende Erwähnung wert. Das Programm kommt ohne Kopierschutz aus, wird auf einfachstem Wege in einen Ordner oder auf einen USB-Stick entpackt und bedarf ebenso wenig einer Registrierung. Der Datenträger der Handelsversion ist nach diesem Vorgang anscheinend nicht mehr notwendig, lediglich zum Start wird nach verfügbaren Updates im Internet gesucht. Die digitale Version kann auf der offiziellen Homepage erworben werden, beim Online-Dienst Steam findet man das Spiel unter der Bezeichnung „Club Manager 2015“.
Bevor sich der frischgebackene Manager ins Abenteuer der acht deutschen Fußballligen stürzt, müssen im Vorfeld erst mal grundlegende Einstellungen vorgenommen werden. Bis zu vier Spieler können abwechselnd den reizvollen Alltag eines Vereinsverantwortlichen bestreiten. Um dem Ganzen eine gewisse Würze zu verleihen, kann bestimmt werden, wie viel Zeit den Mitspielern eingeräumt wird, um einen Tag zu absolvieren. Eine Überschreitung des Limits kann dann eine empfindliche Geldstrafe nach sich ziehen. Anschließend wird eines von vier vorgefertigten Charakterporträts und eine von fünf Schwierigkeitsstufen gewählt, die sich in erster Linie hinsichtlich des Startkapitals voneinander unterscheiden. Bei der Vereinswahl werden die Manager vor die Qual der Wahl gestellt: Will man einen Klub per Zufallsprinzip übernehmen, seinen Favoriten aussuchen oder den Verein wählen und in eine andere Liga tauschen? Alle Daten kommen ohne offizielle Lizenzen aus und sind fiktiv, ihren realen Vorbildern jedoch erkennbar nachempfunden und ohnehin im mitgelieferten Editor veränderbar.
Zweifelsfrei ist die spannendste aller Varianten die komplette Neugründung in der achten Liga. An dieser Stelle kann man den neuen Arbeitgeber benennen und aus einer überschaubaren Liste mit vorgegebenen Wappen und Trikotsätzen wählen. Genauso wie die wenigen Charakterporträts, können die Grafiken auf einfache Art und Weise im Spielverzeichnis verändert oder hinzugefügt werden. Dann erscheint beispielsweise das eigene Passfoto oder das Logo des Lieblingsvereins direkt im Programm. Wie das alles funktioniert und wie man die persönliche Musiksammlung einbindet, erklärt das Handbuch in hilfreichen Schritten.
Relativ schnell findet man sich dann im Hauptmenü wieder, das übersichtlich als Schreibtisch dargestellt wird. Im unteren Bereich wird der Kalender eingeblendet, der sämtliche Termine der anstehenden Woche offenlegt. Der Manager-Pass zeigt neben allgemeinen Informationen den Kontostand oder die Stufe, die bis 100 aufgewertet werden kann. Dazu bedarf es der Erfüllung bestimmter Aufgaben, beispielsweise erfolgreiche Siegesserien zu schaffen oder den Torschützenkönig zu stellen. Dann füllt sich das Papier mit Bilderkarten. Das reizvolle Ziel ist es jedoch, durch eine möglichst hohe Stufe bis zum Nationaltrainer aufzusteigen. Der Highscore setzt sich aus dem finanziellen und sportlichen Erfolg zusammen.
Nachdem das Trainingslager gebucht wurde, lohnt bereits anfangs ein Blick in die Checkliste. Diese macht darauf aufmerksam, welche grundlegenden Aufgaben erledigt werden sollten, etwa die Sondierung von Sponsoren-Angeboten, die mit lukrativen Prämien winken. Ebenso essentiell sind die Kaderplanung und Vertragsverwaltung der Mannschaft, Stadion und Umfeld, die Festlegung von Eintrittspreisen, Merchandising wie der Zu- und Verkauf von Trikots oder Bettwäsche sowie die Einstellung von Mitarbeitern, die dem viel beschäftigten Manager lästige Arbeiten abnehmen können. Zur Auswahl stehen jeweils ein Kotrainer, Übungsleiter für Torhüter, Jugend und Kondition, Arzt, Masseur und Psychologe. Leider kann man hier nicht aus mehreren Bewerbern auswählen, sondern muss sich mit demjenigen begnügen, der zur Verfügung gestellt wird. Der Assistenztrainer im Speziellen kann einige Aufgaben übernehmen, etwa um sich um den Trainingsschwerpunkt für einzelne Spieler zu kümmern oder sogar die Mannschaft nach gewissen Kriterien aufzustellen.
Ein Blick lohnt sich zudem in den umfassenden Jugendbereich mit verschiedenen Altersklassen. Insbesondere unter den A-Jugendlichen, also den 17- bis 18-Jährigen, sticht das eine oder andere Talent hervor, das problemlos in den Profikader integriert werden kann. Neue Spieler findet man auf dem Transfermarkt, wo die wechselwilligen Akteure entweder zum Verkauf oder zur Leihe angeboten werden. Alternativ werden Vereine durchstöbert oder man sucht gezielt per Suchfunktion nach potenziellen Neuverpflichtungen. Im Gegenzug können natürlich auch eigene Spieler angeboten werden. Die Vertragsverhandlungen sind in der Regel relativ zügig abgeschlossen. Es kommt jedoch auch häufig zu Absagen, insbesondere bei Anfragen unterklassiger Vereine an höherklassige Stellen. Der überschaubare Finanzbereich umfasst Angaben und Optionen zu dem Kontostand, Sponsorenverträgen inklusive möglicher Prämien, Krediten, Versicherungen, Geldanlagen und Aktiengeschäften.
Die Wahrheit liegt auf dem Platz
Entschieden wird Fußball seit jeher auf dem Platz, wo sich Elf gegen Elf gegenüberstehen. Spieler variieren in ihrer Gesamtstärke von 1 bis 25 und gewinnen oder verlieren unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren Punkte von diesem Hauptwert. Darunter fällt auch die Moral, denn Akteure mit wenig Spielpraxis oder schwachen Leistungen können natürlich mit der Gesamtsituation nicht zufrieden sein. Grundsätzlich ist bei Spielern, die regelmäßig zum Zug kommen, das durch Sterne angezeigte Talent mitentscheidend. Je mehr davon, desto schneller kann die Verfassung durch effektives Training verbessert werden. Im Gegensatz zu ihnen stagniert bei denjenigen ohne großes Talent die Entwicklung spürbar. Über diese Angaben hat man jederzeit einen guten Überblick. Wer mehr über die jeweiligen Spieler mit all ihren Statistiken erfahren möchte, öffnet einfach das Porträt für mehr Details.
Spätestens bei den Begegnungen sollte jedoch klar werden, dass „Torchance 2015“ nicht viel für Tüftler und Taktikfüchse bietet. Mit dem Sponsor werden vor Anpfiff der Heimspiele Prämien ausgehandelt, beispielsweise für Remis oder Siege. Dann können die Spieler in wenigen vorgegebenen Formationen grob auf die Positionen Torhüter, Abwehr, Mittelfeld und Stürmer verteilt sowie die Auswechselbank besetzt werden. Leider ist durch keine Angabe ersichtlich, ob etwa ein Akteur nun besonders gut für die Außenbahn oder als Spielgestalter geeignet ist. Die Möglichkeiten sind an dieser Stelle deutlich begrenzt, zumal individuelle Anweisungen wie Manndeckung komplett wegfallen.
Stattdessen wird der Einsatz der Mannschaft vorgegeben. Man kann entweder locker mithalten, normal spielen, dagegenhalten, aggressiv vorgehen oder vollen Einsatz zeigen. Eine hohe Einstellung kann zur Folge haben, dass eigene Spieler häufiger mit gelben oder roten Karten bestraft werden. Der eigentliche Spielverlauf gestaltet sich sehr oberflächlich und ist durch fehlende Rückmeldungen und die mangelhafte Darstellung in der Regel kaum nachvollziehbar. Besondere Situationen wie Chancen oder Tore werden in wenigen 3D-Szenen präsentiert, die sich ständig wiederholen. Ein spannender Textmodus ist nicht vorhanden, es werden nur überschaubare Informationen preisgegeben: wer eine Möglichkeit vergeben oder das Tor erzielt hat, wer mit welcher Karte bestraft wurde oder wer sich verletzt hat. Neben der fortlaufenden Zeit werden noch das Chancenverhältnis und eine Übersicht der anderen Ligapartien sowie eine Live-Tabelle angezeigt. Kurios: Eine klassische Halbzeitpause gibt es nicht, stattdessen läuft die Begegnung munter weiter. Nach dem Schlusspfiff werden noch die finanziellen Auswirkungen präsentiert und man wird zur Tabelle weitergeleitet. Regelmäßig trägt eine Zeitung interessante Fakten zusammen.
Entwicklungschancen
Drei Tatsachen: Der Ball ist rund, das Tor ist eckig und „Torchance 2015“ fehlen noch unzählige Möglichkeiten, die selbst das über 20 Jahre alte Vorbild „Anstoss“ bereits geboten hat. Der Entwickler macht kein Geheimnis daraus und kündigt im Forum kommende Funktionen an. Dazu zählen neben der kontinuierlichen Fehlerbeseitigung unter anderem die Anpassung des höchsten Schwierigkeitsgrades, Trainer-Entlassungen, Ticketverkauf, Bandenwerbung, unterschiedliche Mitarbeiter, erstellbare Turniere, zusätzliche 3D-Szenen sowie die schmerzhaft vermisste Grundausrichtung der Mannschaft. So ist momentan schlichtweg nicht einstellbar, ob die eigene Elf beispielsweise offensiv oder defensiv auftreten soll.
Auch die unausgegorenen Aktivitäten auf dem Transfermarkt bedürfen einer gründlichen Nachbesserung. Während der Wechselperioden tauschen insbesondere die unterklassigen Vereine beinahe den kompletten Kader aus. Dieses Verhalten stellt sich nach kurzer Zeit auch bei Profimannschaften ein. Es kommt aber auch immer wieder zu unglaubwürdigen Geschäften, beispielsweise bereits zum ersten Saisonstart beim finanziell abenteuerlichen Transfer eines Stürmers von Dortmund nach Augsburg für über 26 Millionen Euro!
Den offen genannten Plänen des Entwicklers dürfen gerne noch weitere Punkte hinzugefügt werden. Hier ist unsere Wunschliste: Vergabe von Rückennummern; Freundschaftsspiele; Textmodus; Einzelgespräche mit Spielern; Pressekonferenzen oder Interviews; Elf des Tages; Darstellung der Halbzeitpause inklusive Ansprachen; individuelle Anweisungen wie die Auswahl von Schützen für Standardsituationen, die Wahl eines Spielführers oder die Bestimmung des Spielmachers; Informationen über die Spielweise des Gegners sowie den Ruf des Schiedsrichtergespanns. Auch die Bildschirmanpassung ist nicht immer optimal, denn je nach gewählter Auflösung wirkt das Gesamtbild abgeschnitten oder kaum genutzt.
Im Allgemeinen fehlt es der Spieldarstellung an hilfreichen und nachvollziehbaren Rückmeldungen. Zwar werden Noten, Verletzungen und Strafen als simple Einblendung angezeigt, jedoch nicht, wie es dazu kommt. Das macht die Partien in „Torchance 2015“ zur unberechenbaren Angelegenheit. Die vorgefertigten 3D-Szenen passen sich den Einstellungen ohnehin nicht an, denn auch die Auswahl der Trikotfarbe ignoriert die Darbietung rigoros. Auch in puncto Trainingsschwerpunkte hinkt das Programm dem großen Vorbild hinterher. Man konzentriert sich auf einen allgemeinen Fortschrittswert, Frische und Kondition. Bei „Anstoss“ umfasst das Repertoire Freistöße, Elfmeter, Alleingänge, Tacklings, Spielzüge, Abseitsfalle, Gymnastik, Kondition, Regeneration und Einzeltraining.
Grafik und Sound
Zugutehalten muss man dem Programm, dass alles sehr aufgeräumt und übersichtlich wirkt. Die Menüoptik ist sehr sauber, wenn sie auch in vielerlei Hinsicht natürlicherweise den unverkennbaren Charme einer trockenen Tabellenkalkulation versprüht. Hingegen wirken die 3D-Szenen billig und austauschbar, da sie sich ohnehin ständig wiederholen. Vielleicht wäre es sogar eine diskussionswürdige Idee, dem gesamten Geschehen mit dem Augenmerk auf Trends der Indieszene alternativ ein grobpixeliges Aussehen zu verpassen, ähnlich dem des Vorbilds „Anstoss“. Das würde jedenfalls zur minimalistischen Geräuschkulisse und der soliden Musikuntermalung passen.
Meines Erachtens erinnert "Torchance" in seiner Spielbarkeit eher an BMP. Allerdings mit deutlich mehr Ligen, mehr Jugendarbeit, mehr Optionen beim Stadion.
Dazu kommt die herrliche Vereinfachung der Mannschaftsteile.
Wenn man auf gemütlich, ohne großes Tamtam, einen Fußball Manager spielen möchte, dann ist "Torchance" absolut zu empfehlen!