Infinite Crisis

Geld in ein Superhelden-Franchise zu investieren, scheint eine sichere Wertanlage zu sein. Wie sonst lässt es sich erklären, dass insbesondere im Filmbereich Superhelden seit der Jahrtausendwende einen ungeheuren Boom ausgelöst haben, regelmäßig Rekordeinnahmen an den Kinokassen erzielen und ein Ende des Siegeszugs bislang nicht in Sicht ist. Superhelden wie Spider-Man, Batman und Superman sind nie populärer gewesen. Natürlich will man auch als Spiele-Unternehmen auf den Zug aufspringen und ein Stück des Kuchens abbekommen. Und so präsentiert nun Turbine Entertainment („Herr der Ringe Online“) in Zusammenarbeit mit Warner Bros. Interactive ein kostenfreies MOBA (Multiplayer Online Battle Arena)-Spiel im Superhelden-Universum, das auf der siebenteiligen  DC-Comicreihe „Infinite Crisis“ von 2005 bis 2006 basiert und Online-Kämpfe für zwei Fünf-Spieler-Teams in Mehrspieler-Arenen bietet. Ob das Vorhaben gelungen ist, die bekannten Helden mit dem MOBA-Genre zu vereinen, klärt unser Testbericht.

 

Es war einmal im Multiversum ...

 

Denkt man zurück an die Anfänge der Superhelden-Comics, wo der klassische Gut-gegen-Böse-Kampf in simplen, abgeschlossenen Geschichten präsentiert wurde, mutet die Hintergrundgeschichte zu „Infinite Crisis“ deutlich komplexer an. Spieler, die sich nicht regelmäßig mit Geschichten aus dem DC-Kosmos beschäftigen, dürften sich deswegen im ersten Moment verwundert die Augen reiben. Denn gemäß der Comicvorlage gibt es im Spiel insgesamt sechs verschiedene Paralleldimensionen. In jeder existieren die Superhelden und -schurken, nur eben als alternative Versionen. So begegnen wir nicht nur der üblichen Heldengarde, bestehend aus Batman, Wonder Woman, Superman oder Green Lantern, sondern treffen auch Atomic Wonder Woman, Nightmare Superman und Gaslight-Batman, die sich von den Originalen sowohl vom Aussehen, als auch von den Fähigkeiten her deutlich unterscheiden. Während Gaslight-Batman also mit Nachtsichtgerät und Ultraschallpistole ausgerüstet ist, erinnert beim schaurigen Erscheinungsbild von Nightmare-Superman nur noch das berühmte Symbol auf der Brust an das Original. Bisher beläuft sich die Zahl der Kämpfer auf 39, wobei regelmäßige Aktualisierungen in Zukunft dazu beitragen sollen, dass sich diese Zahl weiter vergrößert.

 

Der Grund für diese Heerschar an Figuren liegt darin, dass es zum Zusammenbruch des gesamten Universums kommt, infolgedessen die verschiedenen Versionen der DC-Helden und -Bösewichte aufeinandertreffen. Im Kampf gegeneinander soll schließlich die alte Ordnung wiederhergestellt werden. Dafür stehen uns verschiedene Spielmodi zur Auswahl. Im Trainingsmodus geht es darum, dass wir mit der Steuerung und der Benutzeroberfläche vertraut werden, unsere Fertigkeiten kennenlernen und nach und nach weitere Charaktere freischalten. Im Wettkampfmodus können wir entweder gegen den Computer oder gegen menschliche Spieler antreten, zu denen wir natürlich auch unsere Freunde online zuschalten können. Zu guter Letzt gibt es noch das Ranked Match, in dem wir uns mit Gegnern mit derselben Fertigkeitsstufe anlegen. Für sämtliche Spielmodi stehen uns mit Crime Alley, Gotham Heights, Gotham Divided und Coast City vier unterschiedliche Arenen zur Verfügung, die einen Mix aus klassischer Eroberung der Gegnerbasis und dem Einnehmen und Halten verschiedener Kontrollpunkte bieten.

 

Um sich mit der Spielmechanik vertraut zu machen, widmen wir uns zuerst den Trainingsmissionen. Zu Beginn besteht unsere Aufgabe darin, den Batman des Gaslight-Universums in Sicherheit zu bringen. Für diese Mission hat uns kein Geringerer als Superman persönlich rekrutiert. Also reisen wir zur Erde-19, übernehmen in der Rolle des sogenannten „Protektors“ die Steuerung des „Champions“ Batman und bewegen ihn aus der Vogelperspektive via Mausklick durch den Level. Dabei dürfen wir auf die Unterstützung von Superman zählen, der uns durch den Level begleitet und die ganze Zeit via Sprachchat Tipps mit auf den Weg gibt. Schritt für Schritt werden wir mit Batmans Fähigkeiten vertraut gemacht. Jeder Charakter hat MOBA-spezifisch eine ganz bestimmte Rolle und verfügt über vier verschiedene Attacken, die stetig verbessert werden können. Im Fall von Batman erlernen wir die Wurftechnik des Schallbaterang und der Schallgranate, setzen zum wuchtigen Fledermausflug an oder lassen mit einem Fledermausschrei unsere Gegner erzittern. Jeder Charakter verfügt über eine individuelle Superkraft, die stärker als andere Fähigkeiten ist, aber auch längere Zeit in Anspruch nimmt, sich wieder aufzuladen.

 

Viele Helden müsst ihr sein

 

Durch das Töten von Gegnern gewinnen wir sowohl Erfahrungspunkte als auch Spielgeld in Form von Credits. Durch Credits schalten wir Rüstungsgegenstände in Form von Artefakten frei, die sich auf den Kampfstil unseres Protagonisten auswirken und auf die wir innerhalb unserer Basis oder in der Nähe einer unserer Abwehrtürme zugreifen können. Während die Atom-Axt, Beowulfs Schwert oder die Codaklinge unseren Angriffsschaden erhöht, sorgen diverse Rüstungsobjekte wie Armbänder und Helme für eine Verbesserung des Schadenwiderstands und der Lebensenergie. Indem wir diese Artefakte kontinuierlich aufwerten, haben wir dadurch die Chance, uns während der Schlacht den entscheidenden Vorteil zu verschaffen.

 

Den Kampf bestreiten wir jedoch nicht allein: Unsere Basis schickt zur Unterstützung mechanische Drohnen, im MOBA-Genre auch unter dem Namen „Creeps“ bekannt. Zusammen mit den Drohnen bewegen wir unseren Helden auf einer sogenannten „Lane“, dem Weg zwischen den zwei gegnerischen Basen, und versuchen, den Reaktor des Gegners auszuschalten. Dieser wird von Abwehrtürmen gesichert, die innerhalb eines markierten Bereichs Lasersalven abfeuern. Wie praktisch, dass feindliche Türme stets unsere Drohnen zuerst ins Visier nehmen, während wir sie mit unseren Fertigkeiten unter Beschuss nehmen. Wurden all unsere Drohnen ausgeschaltet, müssen wir allerdings schleunigst zusehen, dass wir aus dem Angriffsradius des Turms entkommen, da uns bereits eine Lasersalve erheblichen Schaden zufügt. Sind die Türme erst einmal aus dem Weg geräumt, müssen wir zuletzt den Kernreaktor in die Knie zwingen, um als Sieger aus der Arena zu gehen.

 

Das Spielprinzip und der Ablauf von „Infinte Crisis“ orientieren sich grundlegend an den anderen MOBA-Vertretern. Es gibt dennoch kleine Unterschiede, die bestimmte Details im Gameplay betreffen: So können wir bei geringer Lebensenergie entweder auf am Boden installierte Energiekapseln zurückgreifen oder unseren Champion gleich zur Basis zurückteleportieren, um unsere Lebensanzeige wieder aufzuladen. Zudem müssen die Credits, die besiegte Gegner hinterlassen, aktiv eingesammelt werden. Das bedeutet allerdings auch, dass unsere Gegner dazu in der Lage sind, uns die Credits direkt vor der Nase wegzuschnappen. In Bezug auf die Kämpfe sorgen vereinzelte Tarnfelder an den äußeren Seitenrändern der Lane dafür, dass wir unentdeckte Angriffe aus dem Hinterhalt starten können. Außerdem profitieren die Kämpfe von der interaktiven Umgebung: Während herumstehende Autos bei wiederholtem Beschuss in Flammen aufgehen, können Telefonmasten von bestimmten Charakteren aus dem Boden gerissen und als Waffe  eingesetzt werden. Zufällige Ereignisse wie der Einschlag eines Meteoriten oder der eines Blitzes können infolge ihrer Kraft eine Zone der Karte deformieren und sorgen somit für zusätzliche Dynamik und für spannende Wendungen innerhalb der Kämpfe.

 

Einsteiger sind willkommen

 

Warner Bros. Interactive schöpft mit „Infinite Crisis“ aus dem eigenen Lizenzpool und gibt sich redlich Mühe, mit den Helden aus dem DC-Universum Genreneulingen einen attraktiven Einstieg zu ermöglichen. Tatsächlich bietet das Spiel zum überwiegenden Teil eine angenehme Lernkurve. Dennoch prasseln gerade zu Beginn des Spiels einiges an Tipps und auswählbaren Möglichkeiten auf uns ein, mit dem wir uns erst einmal auseinandersetzen müssen. Das geht sogar so weit, dass wir uns von dem sogenannten „Konstrukt“, welches eine künstliche Intelligenz darstellen soll, intensive Erklärungen über den Charakterbildschirm anhören müssen.

 

Die Optik von „Infinite Crisis“ qualifiziert sich im oberen Durchschnitt. Das Spielgeschehen sieht nicht besonders bahnbrechend aus, aber auch nicht wirklich schlecht. Die animierten Zwischensequenzen in Comicgrafik, die zwischen den Trainingsmissionen die Handlung vorantreiben, sind zwar reduziert gehalten, entfalten aber einen gewissen Charme. Den knallbunten Figuren, die mit den schönen Partikeleffekten und der farbenfrohen Benutzeroberfläche prächtig harmonieren, sieht man die Liebe zum Detail an. Schade nur, dass die Umgebungsgrafik im Gegensatz dazu ein wenig trist und einfallslos geraten ist. Zudem fallen einige verschwommene Texturen ins Auge. Hier wäre eindeutig mehr dringewesen, auch wenn es den Entwicklern in erster Linie aufgrund des Online-Faktors um eine stabile Performance gegangen sein mag. Diese bleibt auch bei Massenschlachten konstant. Dafür leidet in Kämpfen mit mehreren Kontrahenten die Übersicht – auch wegen der Tatsache, dass es durch die Anwendung von Superkräften in Verbindung mit der dynamischen Umgebung überall knallt und blitzt.

 

Die Synchronisation ist zum überwiegenden Teil mit guten Stimmen besetzt. Mitunter tragen die Synchronsprecher jedoch allzu dick auf oder kommentieren das Geschehen teilweise unter einer fragwürdigen Prämisse. So wirkt es schon etwas verwunderlich, wenn Superman uns in der Rolle des Batman am Anfang des Spiels Ratschläge über dessen Waffenfähigkeiten mit auf den Weg gibt und den Fledermausmann, der jahrelang für Recht und Ordnung gekämpft hat, damit wie einen Anfänger aussehen lässt. An anderer Stelle wird Green Lantern als Hitzkopf ins Spiel eingeführt, der sich Hals über Kopf in eine Übermacht von Gegnern stürzt, auf direktem Weg vom Himmel geschossen wird und schließlich von uns gerettet werden muss.

 

Dafür schafft es die gelungene Musikuntermalung die umstrittene Herangehensweise an die eine oder andere Figur aus dem DC-Kosmos wieder wettzumachen, welche mit einem Mix aus epischen Orchesterklängen und elektronischen Beats die wuchtigen Kämpfe der Superhelden stimmig untermalt.


Fazit

Auch wenn der Gesamteindruck gut ausfällt, muss „Infinite Crisis“ seine Relevanz inmitten der starken Konkurrenz erst unter Beweis stellen. Erfahrene „League-of-Legends“-Recken werden sich schwer tun, das Spiel zu wechseln, wo doch „Infinite Crisis“ bis auf kleinere Neuerungen im Gameplay und dem Comicszenario im Kern ein klassisches MOBA bleibt. Neulinge des Genres sollten indes mal einen Blick riskieren – vor allem, wenn man sich als regelmäßiger Leser der DC-Comics bezeichnet. „Infinite Crisis“ gibt sich wahrlich Mühe, MOBA-unerfahrenen Spielern eine alternative Online-Plattform zu bieten, um sie während der Spielzeit mit einem riesigen Fuhrpark an Tipps, Beschreibungen, Ratschlägen und auswählbaren Features zu begleiten. Ein weiterer wichtiger Grund, mal reinzuschnuppern, ist die Tatsache, dass „Infinite Crisis“ komplett kostenlos ist. Für die nähere Zukunft ist auf alle Fälle vorgesorgt: Dank der immensen Anzahl an DC-Charakteren dürfte der Nachschub an Aktualisierungen bei anhaltendem Interesse vorerst nicht stoppen. (Daniel Kohlstadt)


Kommentare:
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2015-01-25 10:32:16... - Poot

Good game


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