Total War: Attila (PC)

Total War: Attila (PC)

 

Seit Beginn der Jahrtausendwende zählt die „Total-War“-Serie mit mehr als acht Titeln zu den beliebtesten Strategiespielen für den heimischen PC. Während dieser Zeit durften die Spieler in die Weltgeschichte eintauchen, indem sie Ausflüge ins Mittelalter unternahmen, fernöstliche Kaiserreiche besuchten oder die Geschicke des Römischen Imperiums lenkten. Die britischen Spieleentwickler von Creative Assembly knüpfen nun mit ihrem neunten Ableger „Total War: Attila“ nahtlos an die Erfolgsreihe an und beleuchten eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte. Als Spieler reisen wir mehr als 1.500 Jahre in die Zeit der Spätantike zurück und erleben unter anderem die blutigen Eroberungskämpfe von Hunnenkönig Attila. Ob die historische Zeitreise gelungen ist, klärt unser Testbericht.

 

Wir spielen Geschichte

 

Wir schreiben die Zeit der großen Umbrüche. Rund 600 Jahre nach den Ereignissen des letzten Teils „Total War: Rome II“ ist das ehemals mächtige Römische Reich im Jahr 395 in zwei Teile gespalten und kämpft seitdem ums Überleben. Die Stimmung in Europa ist gleichwohl düster wie bedrückend: Während sich Krankheiten, Seuchen und Hungersnöte ausbreiten, ziehen barbarische Völker wie die Hunnen mit ihrem Reiterheer mordend und plündernd durch Europa und hinterlassen dabei ein Feld der Verwüstung. Diese Faktoren führen dazu, dass die alten Verhältnisse in Europa zunehmend aus den Fugen geraten und sich ganze Völker auf Wanderschaft begeben, auf der Suche nach neuen Lebensräumen und einer hoffnungsvolleren Zukunft.

 

Schon allein die Auswahlmöglichkeiten innerhalb des Menübildschirms geben Aufschluss über den immensen Umfang von „Total War: Attila“. So haben wir in Bezug auf die Kampagne die Auswahl zwischen dem Prolog, der umfangreichen Kampagne und dem Mehrspielermodus. Zusätzlich können wir in Gefechten historische Schlachten nachspielen, unser strategisches Können im Online-Mehrspielermodus gegen einen weiteren Spieler testen und zu guter Letzt unser eigenes Gefechtsszenario kreieren.

 

Starten wir zuerst mit dem zweiteiligen Prolog, steigen wir direkt in die internen Kämpfe zwischen Ost- und Westgoten ein, die nach der Schlacht von Olbia Angriffe der Hunnen abwehren müssen. Während des Gefechts erlernen wir die Steuerung und bekommen die Möglichkeit, uns mit den komplexen Spielmechaniken und der Benutzeroberfläche vertraut zu machen.  Neueinsteigern wird dringend geraten, diesen Prolog zu absolvieren, da die nachfolgende Hauptkampagne ein Maximum an strategischem Geschick abverlangen wird.

 

Die Hunnen kommen

 

In der Kampagne haben wir die Auswahl zwischen zehn unterschiedlichen Völkern, darunter die Römer, die Vandalen, die Sachsen und die Ost- wie Westgoten. Jede Fraktion bringt unterschiedliche Startvoraussetzungen mit sich und spielt sich entsprechend unter einem anderen Schwierigkeitsgrad. So sind die im malerischen Orient angesiedelten Sassaniden zwar überaus wohlhabend, dafür in militärischer Hinsicht umso spärlicher ausgerüstet. Ost- wie Westrom befinden sich indes in einer schier aussichtslosen Lage und müssen sich neben internen Aufständen und fehlenden Ressourcen noch dazu mit geschwächten Armeen gegen eine äußere Übermacht an Gegnern zur Wehr setzen, die aggressiv über die brüchigen Grenzen vorpreschen. Diese beiden Kampagnen bauen bereits von Beginn an solchen Druck auf, sodass sie ausschließlich für erfahrene Spieler geeignet sind.

 

Wer indes auf schnellen Erfolg aus ist, dem ist zu Völkern wie den Sachsen oder den Franken zu raten. In diesen Kampagnen lässt sich, wie bei den Vorgängern üblich, das Reich und die damit verbundene Macht schrittweise ausbauen. Das führt nicht nur zu einer höheren Motivation aufgrund schnellerer Erfolge, sondern auch zu einem ausgeglicheneren Spielerlebnis.

 

Entscheiden wir uns für eines der großen Wandervölker wie die Goten, Vandalen oder Alanen können wir als mobile Einheiten unsere Zelte so lange aufschlagen, bis wir ein Gebiet erobern und uns dort niederlassen. Eine Ausnahme bildet das Volk der Hunnen, das die mobile Lebensweise nicht aufgeben möchte und keine feste Siedlung aufbauen kann. Spielen wir also die Geschichte der Hunnen nach, sind wir ständig darauf ausgerichtet, in ewigem Nomadentum in fremdes Territorium einzufallen, um Geld und Nahrung für unsere hungrigen Truppen zu sichern.

 

Das Besondere der „Total-War“-Reihe war seit jeher die Verknüpfung von rundenbasierter Aufbausimulation mit taktischen Echtzeitschlachten. Denn kaum haben wir uns einen Platz auf der Karte gesichert, warten bereits neue Herausforderungen auf uns, die in erster Linie die eigene Bevölkerung betreffen. Auf der Strategiekarte müssen wir uns in vier Runden pro Jahr – den Jahreszeiten entsprechend – nicht nur um die sozialen und wirtschaftlichen Belange unseres Volkes kümmern, sondern auch in der Familiendynastie und in politischen Angelegenheiten wirken. Unser Ziel ist es, unsere Macht und das Reich unseres Volkes stetig zu vergrößern. Dabei bietet uns das Spiel ein ganzes Netzwerk an Entscheidungsfreiheiten, mit denen wir unser Vorhaben gestalten und den Spielablauf individuell beeinflussen können. So rekrutieren wir neue Einheiten, bauen und reparieren Gebäude und agieren auf diplomatischer Ebene mit unseren Bündnispartnern. Für unseren Fortschritt erforschen wir neue Technologien, um auf optimierte Einheiten für die Zivilbevölkerung und das Militär zugreifen zu können.

 

Masse und Motivation

 

Hat alle Diplomatie ausgedient, werden offene Konflikte auf dem Schlachtfeld ausgetragen. Die „Total-War“-Reihe ist seit jeher für ihre großartige Inszenierung bekannt – da macht der neueste Teil keine Ausnahme. Während der opulent in Szene gesetzten Massenschlachten steuern wir die Kamera mit den Bewegungstasten über das Kampfgebiet und via mittlerer Maustaste können wir sie in die gewünschte Perspektive ausrichten. Durch die Drehbewegung des Mausrades verändern wir die Höhe, aus der wir das Spielgeschehen beobachten. Dabei ändert sich je nach Entfernung auch die Lautstärke der Truppen. Verlieren wir mal den Überblick über das Geschehen, reicht ein Blick auf die taktische Karte am oberen Bildschirmrand. Während des Kampfes ist es wichtig, auf  die richtige Balance unserer Gefolgschaft zu achten. So stellen wir unsere Bogenschützen am besten in sicherer Distanz auf, während unsere Speerkämpfer ideal dazu geeignet sind, berittene Feinde an vorderster Front vom Sattel zu stoßen.

 

Nebenbei sollten wir dringend die Kondition unserer einzelnen Streitkräfte im Auge behalten und erschöpften Einheiten im rechten Augenblick eine notwendige Ruhepause gönnen. Auch der Faktor Moral kann über Sieg und Niederlage einer Einsatztruppe entscheiden. Gelingt es uns, beispielsweise während eines laufenden Gefechts den gegnerischen General auszuschalten, gewinnen unsere Armeen schnell an Oberwasser, während die Feinde nicht selten vollkommen demoralisiert den Rückzug antreten.

 

Falls wir doch einmal in eine schier aussichtslose Lage geraten und übermächtige Angreifer vor unseren Toren stehen, können wir mit jedem Volk in den Horde-Modus wechseln und unsere Siedlung verlassen. Dabei können wir das Prinzip der verbrannten Erde anwenden und unsere Provinz in Brand stecken. Schon bald darauf erleiden die gegnerischen Kräfte herbe Verluste aufgrund von Nahrungsmittelknappheit. Außerdem sind aufwendige finanzielle Mittel notwendig, um die Siedlung wieder aufzubauen.

 

Das Auge kämpft mit

 

Einer der größten Kritikpunkte bei der „Total War“-Serie war schon immer die qualitativ schwankende KI in den Belagerungsschlachten. Dies hat sich mit dem neuesten Teil grundlegend zum Positiven verbessert. Obwohl uns nun Holzbarrikaden zur Verfügung stehen und wir so einen bestimmten Teil der Stadt verteidigen können, macht uns der Computergegner mit aggressiven Manövern die Hölle heiß. So greifen die Belagerer gern von mehreren Seiten an und sorgen somit dafür, dass wir uns nie ganz auf einen Kampf konzentrieren können, sondern simultan an mehreren Fronten gleichzeitig agieren müssen. Daher empfiehlt es sich, bereits in der Aufstellungsphase die Truppen richtig zu positionieren.

 

Die Grafik und die Soundkulisse von „Total War: Attila“ sind von überwiegend hoher Qualität, was sich insbesondere in den Massenschlachten auszahlt. Wenn zwei verfeindete Heere auf hügeligem Terrain mit lautem Gebrüll, donnerndem Pferdegalopp und gewetzten Klingen aufeinandertreffen, wird dies kraftvoll und episch inszeniert. Während die orchestrale Musikuntermalung das Spielgeschehen mit wuchtigen Klängen antreibt, sorgen gelungene Wettereffekte für eine stimmige Atmosphäre und begleiten das Geschehen mit malerisch anmutenden Sonnenuntergängen, dicken Nebelschwaden, peitschendem Regen und eisigem Schneewehen. Diese grandiose Präsentation wird allerdings etwas getrübt, sollten  wir während einer Schlacht in die Detailansicht zoomen, um einzelne Kampfhandlungen zu beobachten. Denn während einige Soldaten untätig herumstehen und Probleme bei der Wegfindung haben, dreschen andere mit den immer gleichen Animationen auf den Gegner ein. Auch die verwaschenen Landschaftstexturen fallen aus unmittelbarer Nähe störend ins Gewicht.

 

Bei der Präsentation der Kämpfe macht sich zudem das fehlende Pixelblut negativ bemerkbar, da die drastischen Konfrontationen damit künstlich verharmlost werden und nicht mit der ansonsten düsteren Endzeitstimmung des Titels harmonieren. Hier hätten die Entwickler ruhig eine Schippe drauflegen können, allein schon aufgrund der gewalttätigen Historie, die dem Spiel als Vorlage dient. Da mutet es schon recht fragwürdig an, wieso zu einem späteren Zeitpunkt ein zusätzlicher DLC mit dem Titel „Blut und Feuer“ nachgeschoben wurde, der dafür sorgt, dass der Gewaltgrad des Spiels mit der Darstellung allerlei Grausamkeiten deutlich steigt. Dieselbe Praktik führte bereits im Vorgänger „Total War: Rome II“ zu Verärgerung innerhalb der Spielerschaft. In Sachen DLC-Politik zeigen sich Creative Assembly und Publisher SEGA überhaupt alles andere als kundenfreundlich. So sorgen diverse Veröffentlichungen wie das „Langbärte-Kulturenpaket“ und das „Kelten-Kulturpaket“ dafür, dass die Käufer für die Verfügbarkeit neuer Fraktionen doppelt zur Kasse gebeten werden, im ersten Fall direkt am Erscheinungstag.


Fazit

„Total War: Attila“ bringt mit einem frischen Szenario Strategieveteranen wie Neueinsteiger gleichermaßen ins Schwitzen, vorausgesetzt der heimische PC verfügt über genügend Rechenkraft im Gehäuse. Die vielen Spielmodi bieten ein sattes Paket an strategischer Langzeitmotivation und werden dabei von einer tollen Grafik, einer exzellenten Soundkulisse und einer atmosphärischen Musikuntermalung passend in Szene gesetzt. Allein durch die komplexe Kampagne, die mit zehn Fraktionen samt individuellen Abläufen einen hohen Wiederspielwert garantiert, werden in besonderem Maße all jene belohnt, die bereit sind, viel Zeit und Leidenschaft in das Spiel zu investieren. Die fragwürdige DLC-Politik verleiht dem neuesten Ableger der „Total-War“-Reihe allerdings einen faden Beigeschmack, der vollkommen unnötig ist. (Daniel Kohlstadt)


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