Das in der Welt von Dungeons & Dragons angesiedelte Rollenspiel Sword Coast Legends musste seit seinem Release einiges an Kritik einstecken. Die Bewertungen auf Steam fielen so schlecht aus, dass sich jüngst Dan Tudge, Präsident von n-Space, dem Entwickler des Spiels, zu einer Stellungnahme veranlasst sah, in der er beteuert, dass man die Klagen der Spieler sehr ernst nehme. Aber ist Sword Coast Legends wirklich so schlecht, wie es viele Rezensionen vermuten lassen? Wir haben einen Blick auf das Spiel geworfen und sagen euch, wo die Schwächen, aber auch die Stärken liegen.
Willkommen an der Schwertküste
Als Gildenmitglied der "Brennenden Dämmerung" beginnt unser Abenteuer in Sword Coast Legends zunächst mit einem recht harmlosen Auftrag. Wir sollen eine Karawane sicher zur Stadt Luskan geleiten, doch werden wir, wie auch alle anderen Mitglieder unserer Gilde, von unerklärlichen Albträumen geplagt. Nach einer kurzen Rast auf unserem Weg beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen und schon bald droht die vollkommene Auslöschung der "Brennenden Dämmerung" durch einen zunächst unbekannten Feind. Unser Kampf sowie die Suche nach Antworten und einem legendären Relikt, das mit einem Dämon in Verbindung zu stehen scheint, beginnt. Mehr wollen wir an dieser Stelle nicht über die Geschichte des Spiels verraten.
Das erzählte Abenteuer ist eine solide, wenn auch nicht gerade besonders ausgefallene Geschichte. Wie es sich für ein klassisches Rollenspiel gehört, begegnen uns zahlreiche Charaktere, von denen uns manche mehr, manche weniger freundlich gesonnen sind. Es gilt, gefährliche Orte unterschiedlichster Art zu erkunden, Rätsel zu lösen und manchen mächtigen Gegner zu bezwingen.
Gameplay
Das Spiel legt den Fokus vor allem auf den Kampf und die Erkundung von teils umfangreichen und mehrgeschossigen Verliesen. Auf unseren Missionen werden wir von drei Mitstreitern begleitet, die wir uns aus einem Pool potenzieller Begleiter, die uns im Laufe des Spiels begegnen, selbst auswählen dürfen. Abhängig davon, wie wir unseren Charakter erstellt haben und weiterentwickeln, stehen uns natürlich auch zahlreiche Spezialfähigkeiten zur Verfügung. Untypisch für ein Spiel in der Welt von Dungeons & Dragons (D&D) ist hierbei, dass die erlernbaren Spezialfähigkeiten lediglich durch eine kurze Abkühlungsphase begrenzt werden. Das erinnert mehr an ein modernes MMOG, als an klassische Rollenspiele wie "Neverwinter Nights".
Unsere Begleiter handeln im Kampf im Großen und Ganzen sehr selbstständig und bringen auch ihre Spezialfähigkeiten gut zum Einsatz. Nur bei besonders schweren Herausforderungen ist ein Eingreifen des Spielers nötig. Hierzu können wir den Kampf pausieren und unseren Mitstreitern in aller Ruhe Befehle erteilen oder gleich vollständig die Kontrolle über sie übernehmen.
Für erfolgreich abgeschlossene Aufträge erhalten wir wie üblich eine Belohnung, die beispielsweise aus einer besonderen Waffe, einem Rüstungsgegenstand oder einfach nur Gold bestehen kann, für welches wir bei einem Händler bessere Ausrüstung für unsere Gruppe erwerben können.
Während unserer Missionen werden wir immer wieder vor die Wahl gestellt, wie wir den uns gegebenen Auftrag erfüllen wollen. Haltet ihr euch an die erhaltenen Anweisungen und Abmachungen, oder versucht ihr mit eurem Charme etwas mehr herauszuschlagen, als eigentlich vereinbart war? Und wenn euch das nicht gelingt, versucht ihr es mit einer Drohung oder greift ihr gleich zur Gewalt? Einige der Entscheidungen können sich auch zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal auswirken, insgesamt nehmen sie aber nur sehr wenig Einfluss auf den Verlauf der Geschichte.
Natürlich könnt ihr auf der Jagd nach der größtmöglichen Beute auch zahlreiche Nebenaufgaben annehmen. Die wenigsten hiervon dürften für erfahrene Rollenspieler eine Überraschung bereithalten. Die meist nach dem bekannten Schema "Sammle dies, töte das, finde jenen" verlaufenden Missionen strahlen nur wenig Reiz aus und geraten so schnell eher zur lästigen Pflicht, als zur spannenden Herausforderung. Hier wird ein Bruder vermisst, da eine seltene Pflanze gebraucht, oder es gilt, Diebesgut zurückzuholen. Solche Aufgaben dienen uns allenfalls dazu, unseren Beutel mit mehr Gold zu füllen. Diesen etwas eintönigen Eindruck mildert auch die angenehme Prise Humor, die immer wieder in Dialogen, Monologen und Streitereien unserer Gefährten oder in kleinere überraschende Wendungen der Geschichte einfließt, nur wenig ab.
Aber wer seid ihr überhaupt?
Was könnte das Herz eines Rollenspielers mehr bluten lassen, als ein Charakter, der nicht den eigenen Vorstellungen entspricht? Zum Glück bieten die meisten Rollenspiele heute unzählige Möglichkeiten, die Protagonisten den eigenen Wünschen entsprechend zu gestalten. Auch Sword Coast Legends lässt uns diverse Optionen offen.
So können wir bei der Erstellung unseres Charakters zwischen verschiedenen Elfenrassen, Menschen, Halblingen und Zwergen wählen. Jede Rasse verfügt über ihre typischen, individuellen Vorteile, bei manchen können wir auch Unterrassen wählen, die ebenfalls bestimmte Auswirkungen auf Aussehen und Werte unseres Charakters ausüben. Wir können uns zudem für eine religiöse Ausrichtung entscheiden und eine zum Charakter passende Hintergrundgeschichte wählen, die ebenfalls Einfluss auf unsere Fertigkeiten hat. Das Fertigkeitensystem ist allerdings deutlich weniger komplex, als im Regelwerk von D&D , was sich in der Resonanz vieler Spieler sehr negativ bemerkbar gemacht hat. Das System ähnelt vielmehr dem von "Dragon Age: Origins".
Ist die Auswahl an Modifizierungsmöglichkeiten für das Aussehen des Gesichtes zwar beschränkt, aber noch ausreichend, fällt die Auswahl an Rassen leider etwas spärlich aus. Hier hätte das D&D-Universum noch sehr viel mehr zu bieten gehabt. Auch die wenigen zur Verfügung stehenden Stimmen können nicht so recht überzeugen und wirken für viele Charaktere eher unpassend.
Größte Stärke sind die Mehrspieleroptionen
Wer die eher unspektakuläre Geschichte des Spiels etwas aufwerten will, der kann sie gemeinsam mit bis zu drei Freunden bestreiten. Möchte man ein ganz besonderes Erlebnis für seine Freunde oder andere Spieler schaffen, kann man auch eigene Missionen erstellen. Ein passender Editor wird mit dem Spiel gleich mitgeliefert.Bislang können nur drei Arten von Aufträgen erstellt werden. Entweder müssen die Spieler einen Boss bezwingen, etwas Bestimmtes sammeln oder einen bestimmten Gegner töten. Auch hier findet sich also das altbekannte Schema wieder.
Für die eigene Mission können wir individuelle Gegner erstellen, bei denen wir die Fähigkeiten gemäß unseren Vorstellungen modifizieren oder auf vorgefertigte Varianten zurückgreifen. Auch Charaktere, die beispielsweise als Händler dienen oder uns eine Quest übergeben sollen, können erstellt und als Vorlagen gespeichert werden.
Missionen können über ein Gespräch, über einen Handel oder durch das Töten eines Charakters aktiviert werden. Sie können sich im Folgenden am selben Ort fortsetzen oder auf ein anderes Gebiet verweisen. Sowohl das Start- als auch das Zielgebiet müssen ebenfalls vom Spielleiter angelegt werden. Hier beginnt die eigentliche Arbeit. Die Handhabung des Editors ist sehr intuitiv gehalten und einfach zu erlernen. Wir klicken uns durch gut strukturierte Menüs, platzieren Gegner und Gegenstände einfach mit der Maus oder nutzen schwebende Rollenspielwürfel, um an verschiedenen Stellen unserer Karte ein paar schnelle Voreinstellungen für Anzahl und Stärke der Gegner vorzunehmen.
Die Gestaltungsmöglichkeiten sind mit ein wenig Fantasie nahezu grenzenlos. So steht eine große Auswahl an Gegnern, Einrichtungsgegenständen, Fallen und noch vieles mehr zur Verfügung, mit dem wir die nach unseren Vorgaben generierten Verliese, die aus mehreren Ebenen bestehen können, ausstatten. Der Raum, in dem unsere Spieler einmal mit dem Boss der Mission konfrontiert werden sollen, wird von uns mit Blut, Skeletten und Folterwerkzeugen übersät, während Fackeln für die passende Lichtstimmung sorgen. Hinter einer geheimen Wand richten wir eine Schatzkammer ein, die von einem stärkeren Gegner und einigen schwächeren Schergen bewacht wird. Auf dem Weg verstreuen wir Fallen, platzieren Statuen, gestalten Spinnennester samt passenden Bewohnern, Labore und Säle und so weiter.
Das Spiel bietet neben der Kooperation von bis zu vier Spielern auch die Möglichkeit, wie bei einem klassischen Pen-&-Paper-Rollenspiel noch einen Spielleiter hinzuzuziehen. Dieser kann den Spielern das Leben durch das Platzieren weiterer Monster noch mal etwas erschweren.
Komplexe Dialoge sind mit dem Editor bislang nicht möglich. Folglich hält sich auch die Tiefe der Geschichten, die sich erzählen lassen, noch in Grenzen. Der Funktionsumfang soll nach Angaben der Entwickler in Zukunft aber weiter ausgebaut werden, so dass für kreative Köpfe hoffentlich noch mehr Möglichkeiten geschaffen werden.
Grafik und Vertonung sind allenfalls durchschnittlich
Die Grafik ist zwar noch solide, aber weit entfernt von dem, was heute möglich wäre. Kantige Texturen, die schon bei der Charaktererstellung auffallen, würden sich noch verschmerzen lassen, aber die schlechte Lesbarkeit der Schrift stellt ein echtes Problem dar. Da nicht jeder Dialog vertont ist und es keine deutsche Synchronisation gibt, stellt das Lesen von Texten ein sehr zentrales Spielelement dar. Die relativ kleine und zugleich auch noch gefettete Schrift trägt dem jedoch nicht ausreichend Rechnung.
Es strengt unnötig an, ermüdet und lässt schnell die Lust verlieren, sich all die Textzeilen, die man präsentiert bekommt, wirklich aufmerksam durchzulesen. Das geht nicht nur auf Kosten der Geschichte, sondern auch des Spielspaßes.
Die Vertonung bleibt ohne deutsche Synchronisation, dafür ist die englische Sprachumsetzung dort, wo sie zum Einsatz kommt, sehr gut gelungen. Unser Held bleibt in Gesprächen jedoch stumm. Nur bei der Erkundung von Verliesen und im Kampfgeschehen bekommen wir einige kurze Kommentare zu hören.
Die Hintergrundmusik ist über weite Strecken des Spiels eher unauffällig, aber passend und trägt so gut zur Atmosphäre bei. Echte Gänsehaut oder Beklommenheit vermag sie allerdings nicht zu erzeugen. Vereinzelt ist sogar das Gegenteil der Fall, wenn aus atmosphärischen Klängen kurzzeitig ein fast schon etwas alberner Tusch wird, der entfernt an Spiele aus den frühen 1990er-Jahren erinnert.
Kein schlechtes Spiel ,aber wie gesagt noch viel Luft nach oben.